Leitsatz (amtlich)
1) Das gemeinschaftliche Testament geschiedener Ehegatten lebt mit ihrer Wiederverheiratung nicht wieder auf.
2) Zur Beurteilung des hypothetischen Fortgeltungswillens der Ehegatten bei der Testamentserrichtung.
Normenkette
BGB § 2268 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Beschluss vom 23.09.2009; Aktenzeichen 23 T 459/09) |
AG Minden (Aktenzeichen 7 VI 360/09) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert für das Verfahren dritter Instanz wird auf 11.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.) Der Erblasser und die Beteiligte zu 1) heirateten 1970. 1979 errichteten sie ein gemeinschaftliches Testament in notarieller Form, durch welches sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. 1987 wurde die Ehe geschieden. 1994 nahmen der Erblasser und die Beteiligte zu 1) ihre Beziehung wieder auf. Am 18.2.2009, einen Tag vor dem Ableben des Erblassers, heirateten sie erneut. Der Erblasser hat keine Abkömmlinge. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine Eltern.
Die Beteiligte zu 1) hat beim Nachlassgericht im März 2009 einen Erbschein beantragt, der sie auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahre 1979 als Alleinerbin ausweisen soll. Das Nachlassgericht hat die Beteiligten zu 1) und 2) sowie den Bruder des Erblassers und dessen Neffen zu den Vorstellungen des Erblassers hinsichtlich seiner Rechtsnachfolge gehört. Mit Beschluss vom 12.6.2009 hat es den Erbscheinsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass das gemeinschaftliche Testament durch die Ehescheidung unwirksam geworden sei. Ein übereinstimmender Wille der Eheleute, das Testament im Falle einer Scheidung und späteren Wiederheirat fortgelten zu lassen, könne nicht festgestellt werden. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das LG zurückgewiesen, wogegen sie sich mit der weiteren Beschwerde wendet.
II.) Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG i.V.m. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG statthaft sowie formgerecht eingelegt.
Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist die weitere Beschwerde unbegründet, da die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen. Auch in der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung stand.
Nicht zu beanstanden ist zunächst der rechtliche Ansatzpunkt des LG, dass nämlich gem. §§ 2268 Abs. 1, 2077 BGB von der Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments auszugehen ist, wenn sich nicht im Wege der -ggf. ergänzenden- Auslegung feststellen lässt, dass die Testierenden die Wirksamkeit ihres Testaments auch für den Fall der Auflösung ihrer Ehe gewollt haben (§ 2268 Abs. 2 BGB). Dem LG ist auch darin zu folgen, dass für den Fall einer späteren Wiederverheiratung nichts anderes gilt. Dies entspricht der wohl vorherrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. etwa KG FamRZ 1968, 217f; BayObLG DNotZ 1996, 302 ff.; Beck-OK-BGB/Litzenburger, Stand 2010, § 2077 Rz. 6; Musielak in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 2268 Rz. 14; Erman/Schmidt, BGB, 12. Aufl., § 2268 Rz. 6; juris-PK/Reymann, 3. Aufl., § 2268 BGB Rz. 20; Kuchinke DNotZ 1996, 306 ff.; nunmehr wohl auch Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2268 Rz. 5).
Soweit eine durchaus starke Literaturmeinung dahin geht, dass ein gemeinschaftliches Testament im Falle der Wiederverheiratung immer wirksam bleibt, da nach Sinn und Zweck des § 2268 BGB für die Beurteilung der Wirksamkeit auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen sei (so im Grundsatz etwa Leipold in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 2077 Rz. 24-28; Damrau/Seiler/Rudolf, Praxiskommentar ErbR, 2004, § 2077 BGB Rz. 20), kann sich der Senat dem nicht anschließen. Mit dem BayObLG (a.a.O.) ist der Senat der Auffassung, dass dieser Auslegung hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Testamentes zwingende systematische Bedenken entgegenstehen, da dieses bereits vor dem ersten Erbfall Rechtswirkungen, insb. in Form der Bindungswirkung nach § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB, entfaltet. Da ein gemeinschaftliches Testament mit der Wiederverheiratung nicht "wieder wirksam" werden kann, sondern auch die Mindermeinung nur davon ausgehen kann, dass es stets wirksam war, würde ein unauflösbarer Widerspruch entstehen, wenn einer der (geschiedenen) Eheleute eine anderweitige, den gemeinsamen, wechselbezüglichen Verfügungen widersprechende letztwillige Verfügung treffen würde. Die in der Literatur erwogene Lösung, mit der Auflösung der Ehe die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen entfallen zu lassen (vgl. Kuchinke, a.a.O.; Muscheler DNotZ 1994, 733 ff.), hat der BGH in seinem Urteil vom 7.7.2004 (NJW 2004, 3113 = ZEV 2004, 423) abgelehnt. Vor dem Hintergrund dieser höchstrichterlichen Rechts...