Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtstrafe
Leitsatz (amtlich)
1. Ist in einem - ersten - Urteil aus dort verhängten Einzelstrafen eine Gesamtstrafe gebildet worden und ist in einem zweiten Urteil aus den in dem ersten Urteil verhängten Einzelstrafen und unter Auflösung der in dem ersten Urteil verhängten Gesamtstrafe eine (neue) Gesamtstrafe gebildet worden, lebt die Gesamtstrafe aus dem ersten Urteil nicht "automatisch" wieder auf, wenn in einem dritten Urteil eine (wiederum neue) Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem zweiten Urteil, indes ohne Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem ersten Urteil gebildet wird (Anschluss an BGH, Beschluss vom 11.01.2000 - 5 StR 651/99 - ≪[...]≫).
2. Sofern eine Entscheidung über die Bildung einer (nachträglichen) Gesamtstrafe veranlasst ist, ist das hiermit befasste Gericht berechtigt und verpflichtet, auch in die Rechtskraft früherer Gesamtstrafenentscheidungen einzugreifen, wenn dies erforderlich ist, um eine materiell-rechtlich richtige Gesamtstrafenbildung vorzunehmen (Anschluss an BGH, a.a.O.; NStZ 1988, 359).
Verfahrensgang
AG Ahlen (Entscheidung vom 28.04.2004; Aktenzeichen 5 Ls 83/04) |
LG Bielefeld (Aktenzeichen 15 StVK 2425/10 Bew) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit darin in dem Strafvollstreckungsverfahren 64 Js 155/04 V StA Münster der Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 28. April 2004 (5 Ls 83/04) angeordnet worden ist.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte. Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird um 1/3 ermäßigt. Die Staatskasse trägt 1/3 der dem Verurteilten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hamm verurteilte den Beschwerdeführer am 31. März 2004 wegen Diebstahls (Tattag: 26. Oktober 2003) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15 €. Die Entscheidung ist seit dem 8. April 2004 rechtskräftig.
In dem Verfahren 64 Js 155/04 StA Münster - es handelt sich hierbei um das erste der drei dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Verfahren - verhängte das Amtsgericht Ahlen gegen den Beschwerdeführer mit Urteil vom 28. April 2004 (5 Ls 83/04), rechtskräftig seit diesem Tage, wegen fahrlässiger
Straßenverkehrsgefährdung, wegen Diebstahls und wegen Hausfriedensbruches in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung das Amtsgericht zur Bewährung aussetzte. Die Einzelfreiheitsstrafen für die am 11. Juli 2003, am 5. August 2003, am 24. August 2003 und am 16. September 2003 begangenen Taten betrugen 1 x
3 Monate und 3 x 2 Monate.
Das Amtsgericht Hamm verhängte gegen den Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 5. Mai 2004, rechtskräftig seit dem 10. Juni 2004, wegen Diebstahls (Tattag: 16. Februar 2004) eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 €.
Das Amtsgericht Hamm verhängte gegen den Beschwerdeführer mit Urteil vom 24. September 2004, rechtskräftig seit dem 2. Oktober 2004, wegen Betruges in zwei Fällen (Tattage: 13. März 2004 und 17. März 2004) unter Einbeziehung der Strafen aus den vorgenannten Entscheidungen vom 31. März 2004 und vom 5. Mai 2004 eine Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 10 €.
Das Amtsgericht Ahlen verhängte gegen den Beschwerdeführer mit Urteil vom 8. Februar 2006, rechtskräftig seit dem 17. Juli 2006, zwei Gesamtfreiheitsstrafen:
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wegen gefährlicher Körperverletzung (Tattag: 1. April 2004; Einzelfreiheitsstrafe: 1 Jahr 3 Monate), wegen Betruges (Tattag: 4. Oktober 2004; Einzelfreiheitsstrafe: 4 Monate) und wegen Trunkenheit im Verkehr (Tattag: 2. Dezember 2004; Einzelfreiheitsstrafe: 2 Monate) unter Einbeziehung der Strafen aus dem vorgenannten Urteil vom 28. April 2004 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Strafaussetzung zur Bewährung und
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wegen Diebstahls in vier Fällen (Tattage: 31. Januar 2005, 2. Februar 2005, 21. Februar 2005 und 24. März 2005; Einzelfreiheitsstrafen: jeweils 4 Monate) und wegen Trunkenheit im Verkehr (Tattag: 21. April 2005; Einzelfreiheitsstrafe: 2 Monate) eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung.
Zugleich ordnete das Amtsgericht Ahlen in dem Urteil vom 8. Februar 2006 die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Entziehungsanstalt an.
In dem Verfahren 82 Js 285/06 StA Münster - es handelt sich hierbei um das zweite der drei dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Verfahren - verhängte das Amtsgericht Ahlen gegen den Beschwerdeführer mit Urteil vom 17. Juli 2006 (5a Ds 108/06), rechtskräftig seit diesem Tage, wiederum zwei Gesamtfreiheitsstrafen: