Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung einer Verwahrungsanweisung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Auslegung einer Verwahrungsanweisung muss maßgebend an den Wortlaut der notariellen Urkunde anknüpfen, in der sie erteilt ist.

2. Die das mehrseitige Treuhandverhältnis prägende Bindungswirkung schließt es aus, dass der Notar selbst eine (ergänzende) Auslegung der Verwahrungsanweisung vornimmt, die über die durch den Wortlaut gezogenen Grenzen hinausgreift.

3. Ist nach der Verwahrungsanweisung die Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises allein von der Sicherstellung der lastenfreien Eigentumsumschreibung des verkauften Grundstücks abhängig, darf der Notar diese Auszahlung nicht im Hinblick auf die noch nicht sichergestellte Erschließung des Grundstücks verweigern, selbst wenn der Verkäufer sich zur Herstellung dieser Erschließung verpflichtet hat.

 

Normenkette

BeurkG § 54c Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 25 T 235/01)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit das LG den Notar zur Auszahlung aus der zu UR-Nr. 849/1997 geführten Verwahrmasse angewiesen hat. Insoweit wird die erste Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7) werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2) bis 4) sowie 6) und 7) haben 5/6 der der Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten, und zwar als Teilschuldner zu je 1/5 Anteil.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 178.540 DM festgesetzt. Er beträgt im Umfang der Zurückweisung der weiteren Beschwerden 152.200 DM.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1) hat ein von dem Landwirt Sch. erworbenes Gelände im Rahmen des von der Stadt V. aufgestellten Bebauungsplans „K.weg” parzelliert und zur Bebauung erschlossen. Über den Verkauf der Einzelgrundstücke schloss sie mit den einzelnen Erwerbern notarielle Verträge. Insgesamt elf dieser Verträge wurden in den Jahren 1996 bis 1999 von Notar Dr. A.R. in B. beurkundet.

Diese Verträge sehen in einer Vorbemerkung übereinstimmend vor, die Beteiligte zu 1) wolle mit der Stadt V. zur Herstellung der Regen- und Abwasserkanäle, der Baustraße und der Beleuchtungseinrichtungen einen Erschließungsvertrag gem. § 124 BauGB abschließen und zu dessen Erfüllung eine Bankbürgschaft stellen. Die nachfolgenden Vereinbarungen enthalten die Verpflichtung der Beteiligten zu 1), den Erwerbern das jeweilige Grundstück „erschlossen, vermessen, baureif und frei von grundbuchlichen Belastungen” zu übertragen. Im Kaufpreis enthalten sind jeweils die Erschließungsbeiträge und die Kosten der Verlegung der Regen- und Abwasserkanäle. In allen Verträgen ist eine Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto vorgesehen. Die Formulierungen der Voraussetzungen für die Auszahlung des hinterlegten Betrages an die Beteiligte zu 1) weichen voneinander ab. In den Erwerbsverträgen der Beteiligten zu 2) und 7) (UR-Nr. 884/1996 und 1072/1996) heißt es dazu:

„Der Notar darf den Kaufpreis an die Verkäuferin erst auszahlen, wenn der lastenfreie Eigentumswechsel sichergestellt ist.”

In den Verträgen der Beteiligten zu 3), 4) und 6) (UR-Nr. 715/1997, 797/1997 und 716/1997) lautet die Bestimmung.

„Der Notar darf den Kaufpreis an die Verkäuferin erst auszahlen, wenn Herr Sch. das verkaufte Grundstück von seiner Sicherungsgrundschuld von 520.000 DM freigegeben hat.”

In dem mit den Beteiligten zu 5) geschlossenen Vertrag heißt es:

„Der Notar darf den Kaufpreis an die Verkäuferin erst auszahlen, wenn Herr S. das verkaufte Grundstück von seiner Sicherungsgrundschuld von 520.000 DM freigegeben hat und die Bezahlung der Erschließungsbeiträge sichergestellt ist.”

Die Verträge mit den übrigen Erwerbern enthalten hingegen folgende Regelung:

„Der Notar darf den Kaufpreis an die Verkäuferin erst auszahlen, wenn Herr S. das verkaufte Grundstück von seiner Sicherungsgrundschuld von 520.000 DM freigegeben hat; i.H.v. 60 DM/qm jedoch erst, wenn der Erschließungsvertrag mit der Stadt V. abgeschlossen ist, und die Stadt die zur Erfüllung des Erschließungsvertrages erforderliche Bankbürgschaft erhalten hat.”

In einem weiteren Vertrag aus dem Jahre 1999 (Ur-Er. 1102/1999) ist die Auszahlung eines Teilbetrages von 60 DM/qm von der Aushändigung einer Bankbürgschaft zur Absicherung einer Inanspruchnahme der Stadt V. für Erschließungskostenbeiträge vorgesehen.

Die Beteiligte zu 1) hat durch einen von ihr beauftragten Unternehmer die Regen- und Abwasserkanäle errichtet sowie die Erschließungsstraße mit einer groben Bitumendecke hergestellt. Für die vollständige Erschließung fehlen noch der weitere Straßenbelag, Randbefestigungen, Bürgersteige und Beleuchtung. Zum Abschluss eines Erschließungsvertrages zwischen der Beteiligten zu 1) und der Stadt V. ist es nicht gekommen.

Sämtliche Erwerber haben die Kaufpreise auf von dem Notar eingerichtete Notaranderkonten eingezahlt. Teilbeträge i.H.v. 60 DM/qm verkaufter Grundstücksfläche werden von dem Notar weiterhin auf diese...

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