Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohngeld und Kindergeld als Einkommen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wohngeld ist als Einkommen gem. § 48 Abs. 3 S. 1 GKG anzusehen und daher bei der Streitwertberechnung einer Ehesache als Nettoeinkommen zu berücksichtigen.

2. Für unterhaltsberechtigte Kinder ist vom Gesamteinkommen ein Pauschalbetrag von 300 EUR pro Kind abzusetzen. Kindergeld ist dagegen als Einkommen zu berücksichtigen.

3. Schulden der Parteien sind abzusetzen, soweit diese tatsächlich ratenweise zurückgezahlt werden.

 

Normenkette

GKG § 48 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Bottrop (Beschluss vom 05.10.2005; Aktenzeichen 13 F 217/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Rechtsanwälte S. pp. wird der Beschluss des AG Bottrop vom 5.10.2005 bezüglich der Festsetzung des Streitwerts für die Ehescheidung abgeändert.

Der Streitwert für die Ehescheidung wird auf 3.500 EUR festgesetzt.

Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Beschwerde, mit der die Rechtsanwälte der Antragsgegnerin die Erhöhung des Streitwerts für die Ehescheidung von 2.000 EUR auf 4.670,40 EUR erstreben, ist gem. § 68 GKG zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert von 200 EUR überschritten, der sich nach der Differenz richtet, die sich ergibt, wenn man die Wahlanwaltsgebühren nach dem festgesetzten und dem angestrebten Streitwert vergleicht.

Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Der gem. § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles, insb. der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien sowie des Umfangs und der Bedeutung, zu bestimmende Streitwert liegt höher, als das AG angenommen hat, erreicht aber nicht den von den Beschwerdeführern erstrebten Wert.

1. Der Senat hat - wie es auch das AG für richtig gehalten hat - seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, dass der Streitwert der Ehescheidung bei Bewilligung von ratenfreier Prozesshilfe für beide Parteien nur mit dem Mindestwert von 2.000 EUR bemessen werden könne, denn nach dem Beschluss des BVerfG vom 23.8.2005 (BVerfG v. 23.8.2005 - 1 BvR 46/05, MDR 2005, 1373 m. Anm. Hartung = NJW 2005, 2980) ist diese Rechtsprechung mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Vielmehr muss auch in den Fällen der Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe das von den Eheleuten in den letzten drei Monaten vor Klageerhebung erzielte Einkommen Ausgangspunkt der Wertbemessung sein.

Dabei ist der Beschwerde Recht zu geben, dass nicht nur die Erwerbseinkünfte der Parteien in die Berechnung einzustellen sind, sondern auch das an die Antragsgegnerin gezahlte Wohngeld von 177 EUR. Zwar besteht grundsätzlich Einigkeit, dass (subsidiäre) Sozialleistungen kein für die Streitwertfestsetzung relevantes Einkommen sind (OLG Karlsruhe v. 14.12.2001 - 5 WF 190/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 223 = FamRZ 2002, 1135, m.w.N.), Wohngeld ist aber keine solche Sozialleistung, sondern unterhaltspflichtiges Einkommen. Die unterhaltsrechtliche Problematik, dass unvermeidbar hohe Wohnkosten gegenzurechnen sind, kann für die Streitwertfestsetzung schon aus Gründen der Praktikabilität keine Rolle spielen.

Der vom Antragsteller gezahlte Unterhalt ist hingegen nicht gesondert als Einkommen auf Seiten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, denn er ist aus dessen Erwerbseinkommen aufzubringen, das bereits in die Berechnung eingestellt ist.

2. Der Senat folgt der Praxis, für jedes unterhaltsberechtigte Kind ohne Rücksicht auf die tatsächliche Höhe der Unterhaltsansprüche einen Pauschalbetrag abzusetzen, der sowohl den Bar- wie den Betreuungsbedarf umfasst (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rz. 16, Stichwort "Ehesachen"; OLG Karlsruhe v. 14.12.2001 - 5 WF 190/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 223 = FamRZ 2002, 1135, m.w.N.). Der Senat hält für angemessen, die schon im Jahr 2000 mit 500 DM pro Kind angenommene Pauschale (OLG Düsseldorf v. 7.6.2000 - 5 WF 90/00, FamRZ 2001, 432) auf 300 EUR anzuheben (so auch der Vorschlag bei Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rz. 16, Stichwort "Ehesachen").

Weil damit auch der Betreuungsaufwand mit abgegolten ist, kommt aber entgegen der Auffassung des AG nicht in Betracht, den Pauschalbetrag von 300 EUR bei beiden Eheleuten als Abzugsposten zu berücksichtigen.

Wird die Unterhaltslast für die Kinder berücksichtigt, ist andererseits auch das zur Erleichterung der Unterhaltslast gezahlte Kindergeld als Einkommen zu anzurechnen.

3. Wie Schulden bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen sind, ist zwar umstritten, mit dem Zweck, das Verfahren möglichst unkompliziert und rasch ablaufen zu lassen, ist aber nur vereinbar, Schulden ohne Rücksicht auf ihre Höhe, ihren Entstehungsgrund oder einen vorhandenen Gegenwert abzusetzen (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rz. 16, Stichwort "Ehesachen"; OLG Karlsruhe v. 14.12.2001 - 5 WF 190/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 223 = FamRZ 2002, 1135, m.w.N.).

Die Höhe der von den Parteien auf die Verbindlichkeiten zu zahlenden Raten ist nachgewiesen.

4. Demnach ergibt sich folgende Berechnungsbasis:

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