Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert in Ehesache bei ratenfreier Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass beiden Ehepartnern ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, zeigt in der Regel an, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien im untersten wirtschaftlichen Bereich bewegen, so dass der Mindeststreitwert nach § 48 Abs. 3 S. 2 GKG i.H.v. 2.000 EUR angemessen ist. Allerdings darf dies nicht zu einer schematischen Festsetzung des Streitwertes der Ehesache führen, sondern es ist stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich.

 

Normenkette

GKG § 48 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Kiel (Beschluss vom 11.01.2005; Aktenzeichen 52 F 219/04)

 

Tenor

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Streitwertbeschluss des AG - FamG - Kiel vom 11.1.2005 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Auf den am 30.7.2004 beim AG Kiel eingegangenen Scheidungsantrag hat das FamG beiden Parteien für das Scheidungsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und den Gegenstandswert für die Ehescheidung auf 2.000 EUR festgesetzt.

Mit seiner Beschwerde erstrebt der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers eine Erhöhung des Streitwerts für die Ehescheidung.

Zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien ergibt sich aus den PKH-Beiheften, dass der Antragsteller arbeitslos ist und ein wöchentliches Arbeitslosengeld i.H.v. 259,14 EUR erhält. Der Antragsteller hat Verbindlichkeiten ggü. der Citibank i.H.v. 3.407 EUR (Kreditkonto) sowie 2.044 EUR (Girokonto). Darüber hinaus besteht ein Darlehensvertrag mit der F.-Finanz AG, auf den der Antragsteller monatliche Raten i.H.v. 109,40 EUR zu zahlen hat. Die Parteien haben eine gemeinsame Tochter J., geboren am 26.3.1997, die beim Antragsteller wohnt.

Die Antragsgegnerin ist Hausfrau und bezieht Sozialhilfe und Wohngeld.

II. Die gem. § 68 Abs. 1 GKG i.V.m. § 32 Abs. 2 RVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat vorgelegt, weil die Streitwertbemessung in Ehesachen in Fällen der hier zu entscheidenden Art zwischen den OLG umstritten ist (§ 568 S. 2 Nr. 2 ZPO).

Die Streitwertfestsetzung in Ehesachen erfolgt gem. § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insb. des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien, wobei für die Einkommensverhältnisse in der Regel von dem dreimonatigen Nettoeinkommen beider Ehegatten auszugehen ist (§ 48 Abs. 3 S. 1 GKG). Das maßgebliche Nettoeinkommen ist dergestalt zu ermitteln, dass von dem Nettoeinkommen, das sich nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben ergibt, weitere Abzüge gerechtfertigt sind, insb. Unterhaltsverpflichtungen ggü. minderjährigen Kindern sowie fortlaufende Schuldenlasten (OLG Schleswig v. 13.10.1999 - 13 WF 93/99, FamRZ 2000, 1517; OLG Hamburg v. 3.3.2003 - 12 WF 23/03, OLGReport Hamburg 2003, 252 = MDR 2003, 830).

Aus § 48 Abs. 3 S. 1 GKG schließt ein Teil der Rechtsprechung, dass stets das dreimonatige Nettoeinkommen der Parteien in die Streitwertberechnung einzustellen sei (u.a. OLG München v. 27.6.2001 - 16 WF 662/01, FamRZ 2002, 683; OLG Celle v. 21.3.2002 - 10 WF 44/02, OLGReport Celle 2002, 153). Demgegenüber wird von der Gegenmeinung die Auffassung vertreten, dass für den Fall, dass den Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, bei der Streitwertbemessung für das Scheidungsverfahren nicht auf das dreifache monatliche Gesamtnettoeinkommen abgestellt werden könne. Das Einkommen der Parteien mit ratenfreier Prozesskostenhilfe bleibe vielmehr unberücksichtigt, so dass stets auf den Mindeststreitwert von 2.000 EUR abzustellen sei (OLG Hamm v. 6.2.2004 - 11 WF 17/04, OLGReport Hamm 2004, 191 = FamRZ 2004, 1297). Eine vermittelnde Meinung hebt hervor, dass bei der Streitwertfestsetzung stets die Umstände des Einzelfalles heranzuziehen seien. Der Streitwert einer Ehesache sei, auch wenn beiden Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, nicht ausnahmslos auf den Mindestbetrag von 2000 EUR festzusetzen. Vielmehr sei zu beachten, dass bei der Beurteilung einer Zahlungsverpflichtung nach § 115 ZPO im Einzelfall höhere Belastungen einkommensmindernd zu berücksichtigen sein können als bei der Streitwertbemessung. Deshalb sei stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich (OLG Hamburg v. 24.7.2000 - 10 WF 17/00, OLGReport Hamburg 2000, 437 [438]).

Der erkennende Senat hat im Beschl. v. 4.3.2004 (OLG Schleswig, Beschl. v. 4.3.2004, SchlHA 2004, 191) ausgeführt, dass der Streitwert in einer Ehesache, in der beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung gewährt worden ist, jedenfalls dann auf den Mindestwert von 2000 EUR festzusetzen ist, wenn fest steht, dass die Parteien alle verfügbaren finanziellen Mittel für eine kärgliche Lebensführung einsetzen und sich mit einem Lebenszuschnitt bescheiden müssen, der weiter...

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