Entscheidungsstichwort (Thema)
Alternative Anknüpfung im Abstammungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass das Günstigkeitsprinzip zum Vorrang der Vaterschaft des geschiedenen Ehemannes führt, die nach türkischem Recht für das innerhalb von 300 Tagen nach Rechtskraft der Scheidung geborene Kind eintritt.
Normenkette
EGBGB Art. 19 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hagen (Beschluss vom 11.09.2013; Aktenzeichen 8 III 55/13) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Antrag der Beteiligten zu 1), in dem Geburtseintrag G.../... des Standesamtes I den Eintrag bezüglich des Vaters des Kindes zu löschen, wird zurückgewiesen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beteiligten findet in beiden Instanzen nicht statt.
Der Geschäftswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) und 2) waren verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des AG Wetzlar vom... 2008, rechtskräftig seit dem... 2008, geschieden. Der Beteiligte zu 2) ist türkischer Staatsangehöriger. Am... 2008 gebar die Beteiligte zu 1) ihren Sohn T.
In dem Geburtseintrag Nr.../... des Standesamtes I sind unter dem... 2008 die Geburt des Kindes T, als Kindesmutter G sowie als Kindesvater C eingetragen.
Am... 2010 heiratete die Beteiligte zu 1) den D. Ein zu den Akten gereichtes Abstammungsgutachten vom 24.4.2013 stellt dessen Vaterschaft betreffend das Kind T fest. Nach einem ebenfalls zu den Akten gereichten Abstammungsgutachten vom 9.3.2012 scheidet der Beteiligte zu 2) als Vater des Kindes aus. Durch Beschluss vom 17.9.2012 wies das AG Hagen - Familiengericht - den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Feststellung, das Kind T stamme nicht von dem Beteiligen zu 2) ab, mit der Begründung zurück, es bestehe ohnehin keine gesetzliche Vermutung für die Vaterschaft.
Auf den von dem Beteiligten zu 4) mit Schreiben vom 29.7.2013 vorgelegten Antrag der Beteiligten zu 1) ordnete das AG durch Beschluss vom 11.9.2013 an, der Geburtseintrag sei dahingehend zu berichtigen, dass der Registereintrag bezüglich des Vaters des Kindes zu löschen sei.
Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 4) unter dem 23.9.2013 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, Art. 19 EGBGB biete hinsichtlich der väterlichen Abstammung des Kindes unterschiedliche Anknüpfungspunkte, welche alternativ und gleichrangig nebeneinander stünden. Nach dem türkischen Heimatrecht des Mannes habe ein Kind, welches vor Ablauf von 300 Tagen nach dem Ende der Ehe geboren worden ist, den früheren Ehemann der Mutter zum Vater, Art. 285 türk. ZGB. Das Günstigkeitsprinzip rechtfertige die Eintragung des Beteiligten zu 2) als Kindesvater.
Die Beteiligte zu 1) hat über ihre Verfahrensbevollmächtigte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und den angefochtenen Beschluss aufrecht zu erhalten. Nach türkischem Recht gelte das Kind T als eheliches Kind der Ehe zwischen der Beteiligten zu 1) und dem Herrn D, Art. 292 türk. ZGB.
Das AG hat der Beschwerde durch Beschluss vom 14.11.2013 nicht abgeholfen und selbige dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist gem. §§ 49 Abs. 2, 51 PStG, 58 FamFG statthaft und insgesamt zulässig. Der Beteiligte zu 4) ist als Aufsichtsbehörde gem. § 53 Abs. 2 PStG stets beschwerdeberechtigt.
Auch in der Sache hat die Beschwerde Erfolg.
Zutreffend ist das AG von seiner internationalen Zuständigkeit zur Entscheidung des vorliegenden Falles ausgegangen. Diese ist gegeben, weil eine Eintragung im deutschen Geburtenbuch betroffen ist; die internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit (vgl. § 50 Abs. 1 PStG; BayObLGZ 2002, 4 = FGPrax 2002, 66 = StAZ 2002, 143). Aus der internationalen Zuständigkeit ergibt sich die Anwendung des deutschen Verfahrensrechts (vgl. BGH NJW-RR 1993, 130; BayObLGZ a.a.O.).
Gemäß § 48 Abs. 1 PStG kann ein abgeschlossener Registereintrag in anderen als den hier nicht einschlägigen Fällen des § 47 PStG nur auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden. Ein Antrag gem. § 48 Abs. 2 PStG kann nach der in der Rechtsprechung vorherrschenden Definition nur dann zu einer Berichtigung führen, wenn zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die beanstandete Eintragung von Anfang an unrichtig gewesen ist, wobei an den Nachweis der Unrichtigkeit strenge Anforderungen zu stellen sind (OLG Köln StAZ 2007, 178 f., OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 1379 f.).
Dies ist nicht der Fall, da das Standesamt am 24.11.2008 zu Recht den Beteiligten zu 2) als Kindesvater des betroffenen Kindes T in das Geburtsregister eingetragen hat.
Gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBG unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Satz 2 der genannten Norm kann sie im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. Nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes T wäre das deutsche Recht anzuwenden, nach welchem kein Vater in den Geburtsregistereintrag auf...