Verfahrensgang

LG Detmold (Aktenzeichen 1 O 144/20)

 

Tenor

Der Verfügungskläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Berufung gegen das am 05.02.2021 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Detmold durch Beschluss gemäß § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger wird ferner darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Detmold zurückzuweisen, mit dem das Landgericht Detmold den Antrag des Verfügungsklägers auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes zurückgewiesen hat.

Der Verfügungskläger erhält Gelegenheit, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Hinweises Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung und die sofortige Beschwerde weiter aufrechterhalten oder aus Kostengründen zurückgenommen werden.

 

Gründe

I. Berufung

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, § 522 II 1 Nr. 1 ZPO, und dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 II 1 Nr. 2 bis 4 ZPO gegeben sind. Gemäß § 513 I ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Gemessen daran haben die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichteten Angriffe der Berufung keinen Erfolg.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung gleich welcher Art setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus; beide Voraussetzungen müssen zum Schluss der mündlichen Verhandlung (noch) vorliegen (Musielak/Voit/Huber, 18. Aufl. 2021, ZPO § 935 Rn. 4), sind hier aber nicht kumulativ gegeben:

1. Der Senat neigt im Ergebnis zwar der Auffassung des Landgerichts zu, dass die Verfügungsbeklagte nicht berechtigt ist, das Nutzerkonto des Antragstellers für das Einstellen des streitgegenständlichen Beitrags zu sperren oder den Beitrag zu löschen.

2. Die Frage kann letztlich aber offen bleiben, denn der Verfügungskläger hat einen Verfügungsgrund i.S.v. §§ 935, 940 ZPO nicht glaubhaft gemacht.

a. Das Begehren des Verfügungsklägers zielt hier der Sache nach auf eine Vertragserfüllung für die Zeit bis zu einer Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren und mithin auf den Erlass einer Leistungsverfügung (vgl. OLG München, MMR 2018, 760, 763; OLG München, BeckRS 2018, 36728; OLG Brandenburg, MMR 2009, 117). Soweit Nutzer einer Plattform, die eine Veröffentlichungsmöglichkeit im Internet bietet, gegen die Löschung eines veröffentlichten Beitrags, seine drohende Löschung oder die Sperrung des Zugangs vorgehen wollen, ist einstweiliger Rechtsschutz zwar nicht ausgeschlossen. Eine schlichte Umkehrung der Rechtsprechung zum Äußerungsrecht, wonach in der Regel ein Verfügungsgrund in der andauernden Veröffentlichung liegt, auf die angedrohte Löschung oder erneute Löschung verbietet sich aber. Dass der Antragsteller auf ein aktuelles Ereignis reagieren möchte, genügt noch nicht für eine besondere Dringlichkeit, die das Abwarten eines Hauptsacheverfahrens unzumutbar macht. Vielmehr muss der Nutzer auf die sofortige Erfüllung seines vertraglichen Anspruchs wie bei anderen Leistungsverfügungen dringend angewiesen sein. Die Schnelllebigkeit des Internets allein führt nicht zu einer besonderen Dringlichkeit. Das gilt auch für das Vorgehen gegen einen bereits gelöschten Beitrag. Eine rechtswidrige Löschung ist zwar eine Vertragsverletzung und kann Wiederholungsgefahr begründen, die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit ist damit aber noch nicht belegt. Erst recht besteht ein Anspruch auf Unterlassung einer Sperrung nur in den Grenzen der Leistungsverfügung (MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 935 Rn. 90). Bei einer die Hauptsache vorwegnehmenden Leistungsverfügung i.S.d. §§ 935, 940 ZPO ist ein Verfügungsgrund nur zu bejahen bei einer Not- bzw. Zwangslage des Gläubigers, ansonsten drohender Existenzgefährdung oder in solchen Fällen, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, da ansonsten ein schwerer und nicht wiedergutzumachender anderweitiger Schaden droht (OLG Köln, MMR 2012, 667). Der Antragsteller muss im Einzelfall darlegen und glaubhaft machen, dass er so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist und sonst so erhebliche Nachteile erleiden würde, dass ihm ein Zuwarten (wenn nach der Art des Anspruchs überhaupt möglich) oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Wegfall des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht zumutbar ist. Diese Situation, die den Erlass einer Leistungsverfügung rechtfertigt, wird gemeinhin als "Notlage" oder "existentielle Notlage" oder mit ähnlichen Bezeichnungen benannt (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 123, 124 m.w.N.; OLG München a.a.O.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 940 ZPO Rn. 6).

b. ...

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