Leitsatz (amtlich)
1.
Bei der Rüge der unzulässig unterbliebenen Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen obliegt es dem Betroffenen, darzulegen, aus welchen Gründen das Gericht seinem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hätte stattgeben müssen.
2.
Ist von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin keine weiter gehende Aufklärung des Tatvorwurfs zu erwarten, muss das Gericht einem Antrag, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, entsprechen.
Verfahrensgang
AG Schwerte (Entscheidung vom 11.12.2003) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Schwerte zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Landrat des Kreises Unna hat mit Bußgeldbescheid vom 13. Mai 2003 gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 30,00 EUR festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht im angefochtenen Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt:
"Dem Hauptverhandlungstermin ist der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung ferngeblieben. Das Gericht hat daraufhin den Einspruch der Betroffenen gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, da es die Anwesenheit zur Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich hielt.
Der Betroffene hat die Geschwindigkeitsüberschreitung bestritten mit der Begründung, dass ca. 20 bis 25 Meter vor ihm ein Lieferwagen gefahren sei, der die zulässige Geschwindigkeit von 50 km/h exakt eingehalten habe. Durch die Vernehmung der Zeugen, die in Gegenwart des Betroffenen durchgeführt werden sollte, waren zuverlässige Angaben zum damaligen Verkehrsgeschehen zu erwarten. Auf Grund des zu erwartenden Beweisergebnisses hätte dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden können, seine Entscheidung neu zu überdenken."
Dieser Entscheidung liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
Der Betroffene hatte gegen den Bußgeldbescheid rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht hat daraufhin Termin zur Hauptverhandlung auf den 28. September 2003 anberaumt. Der Verteidiger beantragte, den Termin zu verlegen und den Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden. Gleichzeitig wurde eingeräumt, dass der Betroffene zum Vorfallszeitpunkt Fahrer gewesen sei und zusätzlich die vom Amtsgericht in den Urteilsgründen zutreffend übernommene Einlassung abgegeben und außerdem erklärt: "Im Hauptverhandlungstermin wird der Betroffene keine weitere Einlassung zur Sache abgeben, sodass sein persönliches Erscheinen im Hauptverhandlungstermin nicht notwendig ist." Das Amtsgericht hat daraufhin den Termin auf den 23. Oktober 2003 verlegt. Dem Betroffenen wurde mitgeteilt, dass sein persönliches Erscheinen zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sei. Dieser Termin musste wegen Erkrankung eines Zeugen noch einmal auf den 11. Dezember 2003 verlegt werden. Der Betroffene ist im Hauptverhandlungstermin dann nicht erschienen.
Der Betroffene rügt mit seiner Rechtsbeschwerde insbesondere, dass das Amtsgericht seinem Entbindungsantrag nicht nachgekommen und den Einspruch in der Hauptverhandlung wegen seines unentschuldigten Ausbleibens verworfen habe. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
II.
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Dieser Zulassungsgrund wird durch § 80 Abs. 2 OWiG nicht eingeschränkt (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 28. Oktober 2003, 1 Ss OWi 664/03; OLG Düsseldorf NZV 1992, 43; OLG Köln NStZ 1988, 31; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rn. 16 i).
Für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist, da deren Zulassung auf § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG beruht, der Einzelrichter zuständig (vgl. OLG Düsseldorf DAR 2001, 515; OLG Köln, NZV 1998, 476; Göhler, a.a.O., § 80 a Rn. 3).
1.
Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Gesetzwidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht und damit auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Nach den genannten Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft (OLG Hamm, Beschl. v. 28. 10. 2003; siehe auch Senat in NStZ-RR 1999, 23 = VRS 99, 60 = StraFo 1999, 132 = NZV 1999, 220; Göhler, a.a.O., § 79 Rn. 27 d). Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsach...