Entscheidungsstichwort (Thema)

Einziehung eines Erbscheins

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Beschluss vom 05.06.1996; Aktenzeichen 9 T 1070/95)

AG Kamen (Aktenzeichen 8 VI 249/93)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung – auch über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde – an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 100.000,00 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte zu 1) ist die Ehefrau des Erblassers. Aus der Ehe stammen zwei Söhne, die Beteiligten zu 3) und 4). Die Beteiligte zu 2) ist die jetzt 23 oder 24 Jahre alte Tochter des Beteiligten zu 4). Der Erblasser war Alleineigentümer eines Grundstücks, auf dem er im Jahre 1958 eine Reichsheimstätte errichtet hatte. Dies geschah unter Mithilfe des unverheiratet gebliebenen Beteiligten zu 3), der bis zum heutigen Zeitpunkt in dem Haus – jetzt zusammen mit seiner Mutter – wohnt. Das Hausgrundstück bildet den wesentlichen Nachlaßgegenstand.

Der Erblasser und die Beteiligte zu 1) hatten nach Angaben der Beteiligten zu 1) in einem privatschriftlichen Testament zunächst letztwillig bestimmt, daß die Beteiligten zu 3) und 4) nach dem Tode des Letztversterbenden das Haus erhalten sollten. Dieses Testament haben sie in späterer Zeit wieder aufgehoben, um zu verhindern, daß das Hausgrundstück an die Gläubiger ihrer beiden verschuldeten Söhne falle. Angeregt durch einen Zeitungsartikel trafen sie am 15. Juli 1991 folgende von dem Erblasser eigenhändig ge- und unterschriebene und von der Beteiligten zu 2) unterschriebene letztwillige Verfügung:

„Mein letzter Wille.

Ich … geboren am … 1912 vererbe das Haus, nach meinem Tode meine Frau …, nach beiderseitigen Tode bekommt meine Enkelin … das Haus.”

Nach dem Tode des Erblassers hat die Beteiligte zu 1) am 22. Oktober 1993 beantragt (UR-Nr.: … Notar … in …), ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie aufgrund des privatschriftlichen Testaments vom 15. Juli 1991 als nicht befreite, alleinige Vorerbin ausweise. Das Amtsgericht hat ihr diesen Erbschein unter dem 14. Dezember 1993 erteilt.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 27. Oktober 1995 hat sie gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Der Erbschein sei als unrichtig einzuziehen. Sie sei nach anwaltlicher Beratung zu der Erkenntnis gelangt, daß sie und der Erblasser sich gegenseitig zu Vollerben und die Beteiligte zu 2) zur Schlußerbin eingesetzt hätten.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde der Beteiligten zu 1) nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beteiligten am 16. April 1996 persönlich angehört. Durch Beschluß vom 5. Juni 1996 hat es das Amtsgericht angewiesen, den Erbschein vom 14. November 1993 einzuziehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2), die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 5. August 1996 eingelegt hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist nach §§ 27, 29 FGG statthaft. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) folgt daraus, daß das Landgericht das Amtsgericht angewiesen hat, den Erbschein vom 14. Dezember 1993 einzuziehen, der die Beteiligte zu 1) nur als Vorerbin und sie, die Beteiligte zu 2), als Nacherbin ausweist.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG, § 550 ZPO). Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen. Im Erbscheineinziehungsverfahren ist jeder in seinem Erbrecht Beeinträchtigte beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG). Selbst der Antragsteller, auf dessen Antrag der Erbschein erteilt worden ist, kann mit der Beschwerde die Einziehung betreiben, indem er – wie hier – geltend macht, daß der erteilte Erbschein sein Erbrecht nicht richtig verlautbare (vgl. Keidel/Kuntze, FG, 13. Aufl., § 84 Rdn. 23).

Allgemein anerkannt ist auch, daß der Beteiligte, der die Richtigkeit des erteilten Erbscheins bezweifelt, die Wahl hat, entweder beim Nachlaßgericht die Einziehung (§ 2361 BGB) anzuregen oder unmittelbar Beschwerde einzulegen mit dem Ziel, daß das Beschwerdegericht das Nachlaßgericht zur Einziehung des Erbscheins anweise. Vorliegend hat der Beteiligte zu 1) den zweiten Weg gewählt.

2.

In der Sache hatte das Landgericht die Voraussetzungen des § 2361 Abs. 1 S. 1 BGB zu prüfen. Nach dieser Vorschrift hat das Nachlaßgericht den erteilten Erbschein einzuziehen, wenn sich ergibt, daß er unrichtig ist. Unrichtigkeit liegt vor, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung entweder schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 55. Aufl., § 2361 Rdn. 3). Davon geht das Landgericht offenbar aus, obwohl es versäumt, in den Gründen seiner Entscheidung...

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