Leitsatz (amtlich)

1) Im Rahmen der Entscheidung über die Beschwerde gegen einen Ausschließungsbeschluss kann gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung nach § 438 FamFG nach den §§ 17, 18 FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

2) In Anwendung des Rechtsgedankens des § 17 Abs. 2 FamFG kann die Versäumung der Anmeldefrist als unverschuldet bewertet werden, wenn der Text des veröffentlichten Aufgebots unvollständig ist (hier: fehlender Hinweis auf die Erforderlichkeit der Anmeldung bei dem mit Anschrift näher zu bezeichnenden Aufgebotsgericht).

 

Normenkette

FamFG §§ 17, 438-439

 

Verfahrensgang

AG Paderborn (Beschluss vom 22.06.2012; Aktenzeichen 60 II 53/11)

 

Tenor

Der Beteiligten zu 2) wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Anmeldefrist gewährt.

Der angefochtene Ausschließungsbeschluss wird dahingehend abgeändert, dass zusätzlich auch der Beteiligten zu 2) die mit der Beschwerde vom 17.7.2012 angemeldeten Bürgschaftsforderungen gegen den Nachlass vorbehalten werden.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten beider Instanzen findet nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Die öffentliche Zustellung dieses Beschlusses wird angeordnet.

 

Gründe

Die nach den §§ 58 ff., 439 Abs. 3 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Beteiligten zu 2) waren die mit der Beschwerde vom 17.7.2012 nachträglich angemeldeten Bürgschaftsforderungen gegen den Nachlass vorzubehalten.

Allerdings war die erst mit der Beschwerde erfolgte Anmeldung verspätet. Die Anmeldung hätte gem. § 438 FamFG spätestens bis zum Erlass des Ausschließungsbeschlusses beim AG eingehen müssen. Erlassen ist der Beschluss nach der Legaldefinition des § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG mit der Übergabe des fertig abgefassten und unterschriebenen Beschlusses an die Geschäftsstelle (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2012 - 3 Wx 301/11, zitiert nach juris Rz. 18; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 438 Rz. 4). Das Datum der Übergabe an die Geschäftsstelle (hier der 22.6.2012) ist im vorliegenden Fall zwar entgegen § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG nicht auf dem Beschluss vermerkt worden, ergibt sich aber aus dem Ab-Vermerk auf Bl. 96 d.A..

Die Versäumung der Anmeldefrist war aber unverschuldet, so dass der Beteiligten zu 2) insoweit entsprechend § 439 Abs. 4 S. 1 FamFG i.V.m. §§ 17, 18 FamFG antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Eine Wiedereinsetzung kommt auch bei Versäumung der Frist des § 438 FamFG in Betracht (Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 439 Rz. 9 a.E., MünchKomm FamFG/Eickmann, 4. Aufl., § 439 FamFG, Rz. 8; Dutta in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl., § 438 Rz. 1).

Die Versäumung der Anmeldefrist beruhte im vorliegenden Fall maßgeblich darauf, dass das von dem AG erlassene Aufgebot vom 16.2.2012 nicht vollständig den gesetzlichen Anforderungen genügte. Nach § 434 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 FamFG ist in das Aufgebot u.a. die Aufforderung aufzunehmen, die Ansprüche und Rechte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bei dem Gericht anzumelden (Hervorhebung durch den Senat). Hier sind die Nachlassgläubiger in dem Aufgebot vom 16.2.2012 lediglich dazu aufgefordert worden, "ihre Forderungen gegen den Nachlass spätestens bis zum 20.6.2012 anzumelden". Es fehlte die Angabe, dass die Anmeldung an das AG Paderborn zu richten ist (vgl. z.B. das Muster bei Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 460 Rz. 5). Die Beteiligte zu 2) hat glaubhaft gemacht, dass ihr zuständiger Sachbearbeiter deshalb rechtsirrig davon ausgegangen ist, dass die Anmeldung bei dem Nachlassverwalter zu erfolgen habe. Dementsprechend hat die Beteiligte zu 2) die Anmeldung ursprünglich mit Schreiben vom 19.4.2012 an den Beteiligten zu 1) gerichtet, der die Beteiligte zu 2) vor Ablauf der Anmeldefrist ebenfalls nicht auf die korrekte Verfahrensweise hingewiesen hat.

Bei dieser Sachlage ist die Fristversäumung auch als unverschuldet i.S.d. § 17 Abs. 1 FamFG zu bewerten. Allerdings kann ein fehlendes Verschulden nicht in unmittelbarer Anwendung des § 17 Abs. 2 FamFG vermutet werden. Der Anwendungsbereich der letztgenannten Vorschrift beschränkt sich auf das Fehlen oder die Unrichtigkeit einer nach § 39 FamFG zu erteilenden Rechtsbehelfsbelehrung. Die Aufforderung zur Anmeldung nach § 434 Abs. 2 FamFG kann jedoch nicht als Rechtsbehelfsbelehrung qualifiziert werden, weil sie nicht auf eine sachliche Überprüfung einer erlassenen gerichtlichen Entscheidung gerichtet ist. Die Aufforderung zur Anmeldung dient demgegenüber der Rechtswahrung der Nachlassgläubiger vor dem Rangverlust, der mit ihrer vorbehaltlosen Ausschließung verbunden ist (§ 1973 Abs. 1 BGB). Die Information der Nachlassgläubiger über die verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine Anmeldung zur Rechtswahrung dient aber in gleicher Weise wie die Rechtsbehelfsbelehrung der Rechtsfürsorge für die Beteiligten (Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 39 Rz. 2). Diese Funktionsgleichheit lässt es gerechtfertigt erscheinen, bei einer Unvollständigkeit der Aufforderung den Verschuldensmaßstab nach § 17 Abs. 1 F...

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