Entscheidungsstichwort (Thema)
D&O-Versicherung: Strohmann-Geschäftsführer, Anfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Der D&O-Versicherer einer GmbH kann deren versicherten (bloß) formellen Geschäftsführer jedenfalls dann den Einwand der arglistigen Täuschung entgegenhalten, wenn dieser bei der Antragstellung - auch ungefragt - nicht offenlegt, dass er als bloßer "Strohmann" zur Erfüllung der Geschäftsführerpflichten weder bereit noch imstande ist und besondere risikoerhöhende Umstände hinzutreten.
2. Solche Umstände können dann vorliegen, wenn die Geschäfte (wie hier) tatsächlich von einem Prokuristen als faktischem Geschäftsführer geführt werden, der sich - da hauptberuflich Polizeibeamter - aus dienstrechtlichen Gründen der Geschäftsführung nicht in dem für erforderlich gehaltenen Umfang widmen kann.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 115 O 316/22) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von dem beklagten K.-Versicherer Deckungsschutz für die außergerichtliche Abwehr von gegen ihn geltend gemachten Geschäftsführerhaftungsansprüchen.
Der Kläger war seit dem 19.06.2018 als Geschäftsführer der Firma S. GmbH (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) im Handelsregister eingetragen.
Die Versicherungsnehmerin schloss unter dem 11.05.2020 eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter (im Folgenden: K. Versicherung) mit Versicherungsbeginn zum 01.06.2020 und Versicherungsende am 01.01.2022 bei der Beklagten ab (vgl. Antrag vom 11.05.2020, Anlage K1, Bl. 8 ff. d. A.; Versicherungsschein vom 22.05.2020, Anlage BLD1a, Bl. 141 ff. d. A.). Der Antrag vom 11.05.2020 wurde von dem Kläger für die Versicherungsnehmerin unterzeichnet. Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die K. Versicherung (im Folgenden: AVB) (vgl. Anlage BLD 1b, Bl. 146 ff. d. A.) zugrunde. Darin ist unter Ziff. 8 AVB Versicherungsschutz bei arglistiger Täuschung und Anzeigepflichtverletzung Folgendes vereinbart:
8.1 Verzicht auf Anfechtung und Rücktritt
Der Versicherer verzichtet darauf,
- wegen arglistiger Täuschungen den Vertrag anzufechten und
- wegen Anzeigepflichtverletzungen vom Vertrag zurückzutreten, sofern die arglistigen Täuschungen bzw. Anzeigepflichtverletzungen vor oder bei Abschluss, Verlängerung oder Erneuerung dieses Vertrages begangen wurden.
8.2 Arglistige Täuschung
Wäre der Versicherer wegen einer arglistigen Täuschung zur Anfechtung dieses Vertrages berechtigt, wenn er auf dieses Recht nicht verzichtet hätte, behalten diejenigen versicherten Personen Versicherungsschutz, die die arglistige Täuschung nicht selbst begangen haben oder die die arglistige Täuschung einer anderen versicherten Person bei Vertragsabschluss oder während des versicherten Zeitraumes unmittelbar nach Kenntniserlangung dem Versicherer angezeigt haben. Diejenigen versicherten Personen, die arglistig getäuscht haben, haben keinen Versicherungsschutz.
8.3 Anzeigepflichtverletzung
Wäre der Versicherer wegen einer Anzeigepflichtverletzung in Bezug auf gefahrerhebliche Umstände gemäß Ziffer 15.1.2 zum Rücktritt berechtigt, wenn er auf dieses Recht nicht verzichtet hätte, besteht für diejenigen versicherten Personen kein Versicherungsschutz, die die Anzeigepflicht selbst verletzt haben. Dies gilt nur dann, wenn der Versicherer innerhalb eines Monates nach Kenntniserlangung der Versicherungsnehmerin die Anzeigepflichtverletzung in Textform mitteilt.
Mit Beschluss vom 01.10.2021 des Amtsgerichts Bielefeld wurde über das Vermögen der Versicherungsnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 28.07.2022 wurde der Kläger vom Insolvenzverwalter wegen Zahlungen nach Insolvenzreife in Höhe von 4.148.312,46 EUR in Anspruch genommen. Mit Schreiben vom 15.08.2022 ließ der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten um Deckungszusage nachsuchen.
In zwei Videokonferenzen am 09.09.und 19.09.2022, an denen neben dem Kläger auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers und die der Beklagten teilnahmen, erklärte der Kläger, er sei nur "Geschäftsführer auf dem Papier" gewesen. Der Prokurist der Versicherungsnehmerin, Herr Y., der die Versicherungsnehmerin gegründet habe und vor dem Kläger Geschäftsführer gewesen sei, habe die Geschäfte unverändert weitergeführt. Eine formelle Geschäftsführung sei dem Prokuristen Y., von Beruf (..), dienstrechtlich nicht möglich gewesen.
Die erneute, mit anwaltlichem Schreiben vom 30.09.2022 (vgl. Anlage K11, Bl. 40 ff. d. A.) gestellte Deckungsanfrage lehnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 06.10.2022 (vgl. Anlage K10, Bl. 35 ff. d. A.) u.a. mit der Begründung ab, der Kläger habe bei Abschluss der Versicherung gegenüber der Beklagten nicht offengelegt, dass er nur als "Scheingeschäftsführer" tätig gewesen sei.
Das Landgericht hat die auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Gew...