Leitsatz (amtlich)
Hat ein ortsunkundiger Betroffener zur Nachtzeit das lediglich einmal rechtsseitig aufgestellte Zeichen 331 nicht wahrgenommen hat, rechtfertigt das für sich genommen allenfalls den Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit.
Verfahrensgang
AG Soest (Entscheidung vom 13.12.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Soest zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil ist der Betroffene wegen "fahrlässigen Wendens auf der durchgehenden Fahrbahn der Kraftfahrstraße" zu einer Geldbuße von 170,00 Euro verurteilt worden. Außerdem ist gegen ihn unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2 a StVG ein einmonatiges Fahrverbot verhängt worden.
Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 1. April 2005 gegen 22.40 Uhr mit einem Pkw Audi, amtliches Kennzeichen xxxxxxxx die als Kraftfahrstraße ausgeschilderte B 475 in Fahrtrichtung Nord. Kurz hinter der damals von der Polizei abgesperrten Einfahrt zu einer ARAL-Tankstelle wendete der Betroffene sein Fahrzeug, um anschließend die B 475 in Gegenrichtung zu befahren.
Der Betroffene hat das Wendemanöver in der Hauptverhandlung eingeräumt und sich dahin eingelassen, er sei davon ausgegangen, sich auf einer Landstraße befunden zu haben. Das Amtsgericht hat diese Einlassung für unerheblich gehalten, da sich das Zeichen 331 "Kraftfahrstraße" nach Einbiegen des Betroffenen auf die B 475 einmalig rechtsseitig und sichtbar befunden habe und der Betroffene aufgrund der übrigen örtlichen Umstände - sehr gut ausgebaute Straße mit beidseitigem Seitenstreifen in unmittelbarer Nähe zu der Autobahnauf- bzw. -abfahrt Soest-Ost - habe damit rechnen müssen, sich auf einer Kraftfahrstraße zu befinden. Zur näheren Darlegung der Örtlichkeiten hat das Amtsgericht prozeßordnungsgemäß auf zwei bei den Akten befindliche Fotos verwiesen, die die Örtlichkeiten zu einem kleinen Ausschnitt wiedergeben.
Unter Berücksichtigung von zwei straßenverkehrsrechtlichen Vorbelastungen, von denen die spätere am 29. Mai 2003 rechtskräftig geworden ist, hat das Amtsgericht die Regelgeldbuße von 150,00 Euro leicht erhöht und auf das Regelfahrverbot erkannt.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die ausweislich der Rechtsbeschwerdebegründung auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt ist und mit der unter näherer Darlegung die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat hinsichtlich des allein angefochtenen Rechtsfolgenausspruchs vorläufig Erfolg. Dieser hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht Stand.
Die Verhängung auch eines nach der Bußgeldkatalogverordnung regelmäßig vorgesehenen Fahrverbotes setzt stets gemäß § 25 Abs. 1 StVG voraus, daß der Betroffene die Ordnungswidrigkeit unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat. Demgemäß reicht vorliegend die Verwirklichung des Tatbestandes aufgrund leichter oder auch einfacher Fahrlässigkeit für die Verhängung eines Fahrverbotes nicht aus.
Das Vorliegen eines groben Pflichtenverstoßes ist bisher nicht ausreichend dargelegt. Der Betroffene hatte sich, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, offenbar erst kurz auf der Kraftfahrstraße befunden und das einmalig aufgestellte Zeichen 331 übersehen.
Dem Kraftfahrzeugführer kann das für die Verhängung eines Fahrverbotes erforderliche grob pflichtwidrige Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn der Grund für den von ihm begangenen Verkehrsverstoß darin liegt, daß er ein entsprechendes Verkehrszeichen nicht wahrgenommen hat, es sei denn, gerade diese Fehlleistung beruhe ihrerseits auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit (vgl. BGHSt 43, 241 (249 f.). Beruft sich der Kraftfahrer darauf, daß er Verkehrszeichen schlicht übersehen habe, und kann ihm diese Einlassung nicht widerlegt werden, so scheidet die Verhängung eines Fahrverbots wegen der Ordnungswidrigkeit gleichwohl nicht notwendig aus. Ist beispielsweise das gleiche Zeichen im Verlaufe der befahrenen Strecke mehrfach wiederholt worden, so hat der betroffene Verkehrsteilnehmer - wenn der Tatrichter seine Einlassung nicht schon aufgrund dieser Umstände als widerlegt ansieht, was allerdings regelmäßig naheliegt - die gebotene Aufmerksamkeit in grob pflichtwidriger Weise außer acht gelassen. Dasselbe gilt in Fällen, in denen sich die übersehene Anordnung aufgrund der ohne weiteres erkennbaren äußeren Situation jedermann aufdrängt (BGHSt 43, 241 (252)).
Vorliegend hat das Amtsgericht festgestellt, daß der nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe wohl ortsunkundige Betroffene - zudem zur Nachtzeit - das lediglich einmal rechtsseitig aufgestellte Zeichen 331 nicht wahrgenommen ...