Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtstrafenbildung. eigenständiger Strafzumessungsakt. Begründung
Leitsatz (amtlich)
Die Bildung der Gesamtstrafe ist ein eigenständiger und zu begründender Strafzumessungsakt, der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB durch die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) erfolgt und sich nicht an der Summe der Einzelstrafen oder an rechnerischen Grundsätzen zu orientieren hat, sondern an gesamtstrafenspezifischen Kriterien. Insbesondere dann, wenn die Einsatzstrafe nicht unerheblich erhöht wird und die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe kommt, darf auf eine zusammenfassende Würdigung der Person des Angeklagten und aller einbezogenen Straftaten einschließlich der für sie jeweils wesentlichen Strafzumessungserwägungen im Rahmen einer näheren Begründung nicht verzichtet werde.
Normenkette
StGB § 54 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 24 Ns 133/21) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Gesamstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Essen hat den Angeklagten am 02.07.2021 wegen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Zugleich hat es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 8.000 € angeordnet.
Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft haben gegen dieses Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt. In ihrer als Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch auszulegenden Berufungsbegründung hat die Staatsanwaltschaft erklärt, nicht den Freispruch, sondern lediglich die Strafhöhe anzugreifen. In der Berufungshauptverhandlung hat der Angeklagte sein Rechtsmittel mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ebenfalls auf das Strafmaß beschränkt. Mit Urteil vom 25.11.2021 hat das Landgericht die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft verworfen. Hierbei hat das Landgericht für den vollendeten Diebstahl eine Einzelstrafe von einem Jahr und für den versuchten Diebstahl eine Einzelstrafe von 10 Monaten festgesetzt. Sodann hat es zur Bildung der Gesamtstrafe die höchst verhängte Einzelstrafe erhöht und "unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände" auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten erkannt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit welcher er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Gesamstrafenausspruches mit den jeweils zugehörigen Feststellungen. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die umfassende Nachprüfung des Urteils insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
1)
Der Gesamtstrafenausspruch von einem Jahr und zehn Monaten weist einen durchgreifenden Begründungsmangel auf.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Bildung der Gesamtstrafe ein eigenständiger und zu begründender Strafzumessungsakt, der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB durch die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) erfolgt und sich nicht an der Summe der Einzelstrafen oder an rechnerischen Grundsätzen zu orientieren hat, sondern an gesamtstrafenspezifischen Kriterien (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 - 1 StR 140/18 -, Rn. 5 - 6, juris m.w.N.). Insbesondere dann, wenn - wie hier - die Einsatzstrafe nicht unerheblich erhöht wurde und die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe kommt, darf auf eine zusammenfassende Würdigung der Person des Angeklagten und aller einbezogenen Straftaten einschließlich der für sie jeweils wesentlichen Strafzumessungserwägungen im Rahmen einer näheren Begründung nicht verzichtet werde (OLG Bamberg, Beschluss vom 13. Juni 2018 - 3 OLG 110 Ss 48/18 -, Rn. 3, juris m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die erhebliche Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr auf eine Gesamtstrafe von einem Jahr und neun Monate wird - obgleich diese die Summe der Einzelstrafen von einem Jahr und zehn Monate fast erreicht - lediglich pauschal "unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände" und gerade nicht eingehend begründet.
2)
Das angefochtene Urteil war daher gemäß § 349 Abs. 4 StPO durch einstimmigen Beschluss im Gesamtstrafenausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuheben und insoweit nach § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen. Im Übrigen war die Revisio...