Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerechtsübertragung auf einen Elternteil
Verfahrensgang
AG Ibbenbüren (Beschluss vom 11.03.2004; Aktenzeichen 4 F 805/03) |
Tenor
Der Antrag der Beteiligten zu 1) vom 7.4.2004 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Prozesskostenhilfeantrag der Beteiligten zu 1) ist zurückzuweisen, da ihre Beschwerde gegen den Beschluss des AG Ibbenbüren vom 11.3.2004 zwar gem. §§ 621e, 621 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO zulässig ist, in der Sache aber keine ausreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Das AG ist nach Anhörung der Beteiligten und des betroffenen Kindes sowie Einholung einer Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt Ibbenbüren zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen, auf die hier ergänzend Bezug genommen wird, zu der Einschätzung gelangt, dass die Voraussetzungen für die von der Beteiligten zu 1) beantragte Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vorliegen, während eine Sorgerechtsübertragung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 mangels Zustimmung der Beteiligten zu 1) von vornherein ausscheidet.
1. Ohne konkreten Anlass in Gestalt einer in Kindesbelangen zu treffenden, indes wegen fehlender objektiver Kooperationsfähigkeit und subjektiver Kooperationsbereitschaft beider Elternteile nicht möglichen Entscheidung im Rahmen des § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB, den auch die Beteiligte zu 1) nicht behauptet, besteht derzeit weder Anlass noch Handhabe zu einer Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge der Parteien. Dabei mag unterstellt werden, dass das Verhältnis der Beteiligten zu 1) und 2) zurzeit von tiefgreifenden Spannungen und Differenzen gekennzeichnet ist, die sachbezogene Gespräche nachhaltig erschweren. Gleichwohl sieht der Senat mit dem AG keine Notwendigkeit für die von der Beteiligten zu 1) begehrte Sorgerechtsänderung.
Gemäß § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Beteiligte zu 1) als derjenige Elternteil, bei dem sich der gemeinsame Sohn gewöhnlich aufhält, auch ohne Sorgerechtsänderung befugt, in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens anfallende Entscheidungen allein und ohne Beteiligung des Kindesvaters zu treffen. Dass und ggf. welche darüber hinausgehenden Entscheidungen in naher Zukunft anstehen, die bei Fortbestand der elterlichen Sorge nach § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB eine gemeinsame Entscheidung der Eltern erfordern, ist dagegen weder dargetan noch ersichtlich. Gerade vor diesem Hintergrund gewinnt nach Einschätzung des Senats besonderes Gewicht, dass die weiteren von der Beteiligten zu 1) geltend gemachten Gründe für den völligen Ausschluss des Beteiligten zu 2) von der elterlichen Sorge ausgesprochen vage und letztlich nichtssagend sind. So fehlt insb. jeder konkrete Vortrag dazu, dass, wann, bei welchem Anlass und auf welche Weise sie selbst sich letztmals bemüht hat, in das Kindeswohl berührenden Fragen mit dem Beteiligten zu 2) ein vernünftiges, sachbezogenes Gespräch zu führen, hierbei aber an dessen Verweigerungshaltung gescheitert ist. In diesem Zusammenhang müssen sich beide Parteien - und damit auch die Beteiligte zu 1) - darauf verweisen lassen, dass den Eltern zuzumuten ist, alle Anstrengungen zu unternehmen, um im Interesse der Kinder ihre gemeinsame Elternverantwortung wahrzunehmen. Dazu gehört auch, sich zu überwinden und trotz vorhandener Barrieren und trennungsbedingter Meinungsverschiedenheiten das Gespräch mit dem anderen Teil zu suchen und zu führen (ebenso u.a. OLG Schleswig v. 9.9.1999 - 13 UF 271/98, OLGReport Schleswig 1999, 365 = MDR 1999, 1509 = NJW-RR 2000, 813 [814]; OLG München v. 15.3.1999 - 26 UF 1502/98, NJW 2000, 368 [369]). Dass die Beteiligte zu 1) dies in jüngerer Vergangenheit ernsthaft, aufgrund der ablehnenden Haltung des Beteiligten zu 2) aber erfolglos versucht hat, lässt sich weder ihrem schriftsätzlichen Vortrag noch dem Protokoll über ihre persönliche Anhörung vor dem AG entnehmen.
Solange nicht ausreichend sicher feststeht, dass solche Anstrengungen erfolglos geblieben sind und auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge tatsächlich dem Kindeswohl am besten entspricht. Auch die Beteiligte zu 1) muss sich hier der Erkenntnis beugen, dass eine Sorgerechtsänderung ohne - hier fehlenden - konkreten Anlass in Gestalt einer nach § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB einvernehmlich zu treffenden Elternentscheidung nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn der betreuende Elternteil allein aus persönlichen Gründen weitere Gespräche mit dem anderen Elternteil ablehnt, da andernfalls der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge letztlich in das Belieben des betreuenden Elternteils gestellt würde, was mit den wohlverstandenen Kindesinteressen unvereinbar wäre.
2. Der Hinweis der Beteiligten zu 1) auf das vermeintlich fehlende Interesse des Beteiligten zu 2) an seinem Sohn führt hier ...