Leitsatz (amtlich)

Bei der Feststellung betrügerisch erlangter staatlicher Sozialleistungen müssen die richterlichen Entscheidungsgründe in nachvollziehbarer Weise zu erkennen geben, dass und inwieweit auf die sogenannten überzahlten Beträge nach den Grundsätzen des jeweiligen Leistungsgesetzes tatsächlich kein Anspruch bestand.

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Entscheidung vom 15.12.2004)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Paderborn hat die Angeklagte wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 70,- EUR verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Paderborn verworfen und zugleich das Urteil auf die Berufung der Staatsanwaltschaft im Rechtsfolgenausspruch abgeändert, dass die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 70,- EUR verurteilt worden ist.

Zum Tatgeschehen hat die Strafkammer folgende Feststellungen getroffen:

"Die Angeklagte beantragte mit schriftlichem Antrag vom 13.01.1999 beim Studentenwerk Paderborn als Amt für Ausbildungsförderung die Bewilligung einer Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Der Antrag ging am 18.01.1999 beim Studentenwerk Paderborn ein. In dem Antrag erklärte die Angeklagte bewusst wahrheitswidrig, keinerlei Vermögen zu haben, obwohl sie tatsächlich über eigenes Bankguthaben in Höhe von mehr als 70.000,00 DM verfügte, das sie von ihrem 1984 verstorbenen Vater geerbt hatte. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der Angeklagten bewilligte das Studentenwerk Paderborn ihr mit Bescheiden vom 29.06.2000 für den Zeitraum von Januar 1999 bis September 1999 unter Berücksichtigung der von ihr bezogenen und angegebenen Halbwaisenrente eine Ausbildungsförderung von insgesamt 4.578,00 DM, die hälftig als Zuschuss und hälftig als unverzinsliches Darlehen gewährt wurde.

Am 30.07.1999 stellte die Angeklagte beim Studentenwerk Paderborn einen weiteren Antrag auf die Bewilligung einer Ausbildungsförderung, in dem sie wiederum bewusst wahrheitswidrig angab, keinerlei Vermögen zu haben, obwohl sie tatsächlich noch über ein Barvermögen in Höhe von rund 65.000,00 DM verfügte. Im Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Angaben wurde ihr mit Bescheiden vom 28.02.2000 unter Berücksichtigung der von ihr bis zum 27. Lebensjahr bezogenen und angegebenen Halbweisenrente für den Zeitraum von Oktober 1999 bis November 1999 eine monatliche Ausbildungsförderung von 917,00 DM und für den Zeitraum von Dezember 1999 bis September 2000 eine monatliche Ausbildungsförderung in Höhe von 1.004,00 DM bewilligt, und zwar wiederum hälftig als Zuschuss und hälftig als unverzinsliches Darlehen.

Mit schriftlichem Antrag vom 28.08.2000 beantragte die Angeklagte beim Studentenwerk in Paderborn erneut die Bewilligung einer Ausbildungsförderung nach dem Ausbildungsförderungsgesetz, der am 29.08.2000 beim Studentenwerk Paderborn einging. Auch in diesem Antrag gab die Angeklagte bewusst wahrheitswidrig an, kein Vermögen zu haben, obwohl sie tatsächlich noch über Bankguthaben in Höhe von rund 16.000,00 DM verfügte. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der Angeklagten wurde ihr mit Bescheid vom 28.09.2000 für den Zeitraum von Oktober 2000 bis Januar 2001 eine monatliche Ausbildungsförderung von 1.030,- DM wiederum hälftig als Zuschuss und hälftig als Darlehen gewährt.

Hätte die Angeklagte in ihren Anträgen jeweils pflichtgemäß zutreffende Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen gemacht, wäre ihr - was ihr von vornherein klar war - keine Ausbildungsförderung bewilligt worden.

Die für den Zeitraum von Oktober 1999 bis Januar 2001 zu Unrecht erhaltene Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 10.518,29 EUR zahlte die Angeklagte nach Erhalt des Rückforderungsbescheids des Studentenwerks Paderborn vom 27.03.2004 zurück. Aufgrund des Rückforderungsbescheids des Studentenwerks Paderborn vom 21.04.2004 zahlte sie später auch die für den Zeitraum vom 01.10.1995 bis zum 31.12.1998 zu Unrecht erhaltene Ausbildungsförderung in Höhe von 16.015,17 EUR zurück."

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Verfahren hinsichtlich der Tat vom 28. August 2000 gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen sowie die Revision im Übrigen gemäß § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe zu verwerfen, dass die Berufungskammer eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen habe.

II.

Die zulässige Revision hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht Stand, denn die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen Betruges nicht. Bei der Feststellung betrügerisch ...

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