Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an die Fahrverbotsentscheidung.
Verfahrensgang
AG Hagen (Entscheidung vom 29.04.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Hagen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Hagen hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 1, 49 StVO in Verbindung mit §§ 24, 25 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 65,00 EURO verurteilt und außerdem unter Beachtung des § 25 Abs. 2a StVG ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dagegen richtet sich die näher ausgeführte Rechtsbeschwerde, mit der die formelle und die materielle Rüge erhoben worden ist. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat teilweise - zumindest vorläufig - Erfolg. Das angefochtene Urteil war im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.
1.
Mit dem Vorbringen, das Amtsgericht habe das Messprotokoll Bl.3, 4 d.A. seiner Urteilsfindung nicht zugrunde legen dürfen, da es nicht geeignet sei, die Ordnungsmäßigkeit der Messung zu belegen, kann der Betroffene nicht gehört werden. Diese als Verfahrensrüge auszulegende Rüge genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO und ist daher unzulässig. Ordnungsgemäß ist die Rüge nämlich nur dann erhoben, wenn die Begründung den Wortlaut des verlesenen Schriftstücks enthält und sich ergibt, dass der Betroffene dem Vorhalt des Schriftstücks gemäß § 238 Abs. 2 StPO widersprochen hat (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 28. April 2003 in 2 Ss 126/03). Unabhängig davon wäre diese Rüge aber auch unbegründet, denn der Inhalt des Messprotokolls konnte ergänzend zu den Angaben des vernommenen Polizeibeamten B. verwertet werden. Wenn sich ein Polizeibeamter an das von ihm früher Wahrgenommene nicht mehr erinnert, kann der Inhalt einer schriftlichen Erklärung ergänzend ohne Verletzung des § 250 StPO verwertet werden, wenn zugleich der Urheber der Urkunde als Zeuge vernommen wird und die Verantwortung für den Inhalt der Urkunde übernimmt. Das Tatgericht hat unter Beachtung dieser Grundsätze das Ergebnis der Messung in die Hauptverhandlung eingeführt und dadurch ein verwertbares Beweismittel gewonnen.
2.
Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils richtet, war die Rechtsbeschwerde gem. §§ 349 Abs. 2, 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Das Amtsgericht hat die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätze, denen sich die Bußgeldsenate des Oberlandesgerichts angeschlossen haben, ausreichend berücksichtigt. Das Urteil stellt die Länge der Messstrecke, den annähernd gleichbleibenden Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug des Betroffenen, die Justierung des Tachometers und die Höhe des Sicherheitsabschlages fest. Letzteren hat das Amtsgericht mit 15 % ebenso wie die Länge der Messstrecke mit 1000 Metern ausreichend berücksichtigt (vgl. Beschluss des Senats vom 13. März 2003 - Ss OWi 201/03).
Die Ausführungen des Amtsgerichts genügen außerdem den weitergehenden Anforderungen für eine Messung zur Nachtzeit (vgl. hierzu ausführlich Senatsbeschluss a.a.O.).
3.
Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu wie folgt Stellung genommen:
"Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Anordnung eines Fahrverbots ermöglichen es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht zu überprüfen, ob die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung ermessensfehlerfrei ist oder nicht. Der Tatrichter muss für seine Entscheidung, ob er ein Fahrverbot verhängt oder von einem Fahrverbot absehen kann, eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung geben (zu vgl. Senatsbeschluss vom 13.06.2005 - 2 Ss OWi 285/05 -). Zur Begründung des Fahrverbots teilt der Tatrichter lediglich mit, dass gegen den Betroffenen bereits zuvor mit seit dem 29.07.2004 rechtskräftigen Bußgeldbescheid ein Bußgeld wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 37 km/h verhängt worden ist. Zwar ist damit das Regelfahrverbot gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV verwirkt. Trotz Vorliegens eines Regelfalls kann der konkrete Sachverhalt aber Ausnahmecharakter haben und demgemäss von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden. Ob der Tatrichter von seinem freien, rechtlich aber nicht ungebundenen Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat, ist mangels weiterer Begründung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfbar.
Im Übrigen läss...