Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehemündigkeit: Erfolgsaussicht des Befreiungsantrages einer 16-jährigen
Leitsatz (redaktionell)
Weder vorhandene Vorstrafen (hier: länger zurückliegende Vermögensdelikte) des zukünftigen Ehemannes noch der Umstand, dass er Einkünfte nicht erzielt, stehen der Erteilung einer Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit entgegen.
Normenkette
BGB § 1303
Verfahrensgang
AG Detmold (Beschluss vom 07.10.2009) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 2.12.2009 wird der Antragstellerin unter Abänderung des Beschlusses des AG Detmold vom 7.10.2009 unter Beiordnung von Rechtsanwalt B aus S Prozesskostenhilfe für das von ihr betriebene Verfahren auf Erteilung einer Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit bewilligt.
Gründe
Die am 18.4.1993 in Detmold geborene Antragstellerin hat unter dem 30.6.2009 einen Antrag auf Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit gestellt.
Die Antragstellerin, die seit dem 26.3.2009 durch Einbürgerung deutsche Staatsangehörige ist, beabsichtigt, den am 3.8.1985 geborenen syrischen Staatsangehörigen E D zu heiraten. Auf die weiteren Ausführungen der Antragstellerin wird Bezug genommen.
Nachdem der Amtsrichter eine Stellungnahme des Jugendamtes Detmold eingeholt hatte, hat er den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe der mittlerweile anwaltlich vertretenen Antragstellerin mit Beschluss vom 7.10.2009 zurückgewiesen.
Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten am 23.11.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 3.12.2009, der das AG mit Beschluss vom 7.12.2009 nicht abgeholfen hat.
Die gem. § 14 FGG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
Das von der Antragstellerin betriebene Verfahren auf Erteilung einer Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit hat entgegen der Ansicht des AG Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Die von der Antragstellerin beantragte Befreiung ist nach § 1303 Abs. 2 BGB zu erteilen, wenn die Eingehung der Ehe trotz Minderjährigkeit dem Wohl der minderjährigen Antragstellerin entspricht. Bei der zu treffenden Entscheidung handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene, das Kindeswohl konkretisierende Entscheidung (Palandt, BGB, 68. Aufl., § 1303 Rz. 5).
Ob die von der Antragstellerin beabsichtigte Ehe mit dem weiteren Beteiligten ihrem Wohl entspricht, kann jedenfalls nicht auf der Grundlage der bisher vom AG angeführten Tatsachen verneint werden.
Soweit sich das AG auf die Stellungnahme des Jugendamtes vom 1.7.2009 beruft, dass keine "gesicherten Rahmenbedingungen" für die Eheschließung vorliegen, bleibt mangels weiterer Erläuterung bereits unklar, auf welchen möglichen Ablehnungsgrund das AG sich hier stützen möchte. Dass der in Aussicht genommene Ehemann über keine Einkünfte aus einer beruflichen Tätigkeit verfügt, rechtfertigt jedenfalls eine Nichterteilung der Befreiung nicht.
Soweit das AG meint, ohne persönliche Anhörung der Antragstellerin aus der Tatsache, dass diese mit 16 Jahren schwanger geworden ist, folgern zu können, der Antragstellerin fehle es an der erforderlichen Reife, ist auch diese Argumentation nicht überzeugend.
Ob die Antragstellerin die für eine Ehe erforderliche charakterliche Reife besitzt, und ob sie die Tragweite einer Ehe hinreichend erfasst, wird der zuständige Amtsrichter wohl nur im Rahmen einer persönlichen Anhörung der Antragstellerin sowie im Rahmen weiterer Ermittlungen feststellen können.
Soweit das AG in seinem Nichtabhilfebeschluss anführt, dass der weitere Beteiligte bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, vermag auch dieses die Erfolgsaussichten des gestellten Antrages nicht von vornherein in Frage zu stellen.
Etwa vorhandene Vorstrafen müssen nämlich den Schluss zulassen, dass entweder die Ehe voraussichtlich scheitern wird, oder dass ein weiterer Umgang aufgrund der Art der Vorstrafe nicht dem Kindeswohl entspricht. Die im Jahre 2006 begangenen Vermögensdelikte lassen diesen Schluss aber aus derzeitiger Sicht nicht zu.
Gründe, aufgrund deren Vorliegens der Antrag bereits jetzt zurückgewiesen werden könnte, liegen nicht vor.
Dem Antrag der Antragstellerin, eine Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit zu erlangen, kommt damit hinreichende Erfolgsaussicht zu, so dass, da auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin dieses zulassen, Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist. Ob der Antrag dann letztlich tatsächlich Erfolg hat, bedarf weiterer Ermittlungen des AG.
Fundstellen
Haufe-Index 2300014 |
FamRZ 2010, 1801 |