Leitsatz (amtlich)

Betäubungsmittel haben keinen rechtlich anerkannten Verkehrswert.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Entscheidung vom 24.07.2006)

LG Essen (Entscheidung vom 05.07.2006)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Der Gegenstandswert der bei dem Verurteilten G.C. sichergestellten 130.000 Ecstasy-Tabletten wird im Hinblick auf eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG auf 0,- EUR festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 S. 2 RVG).

 

Gründe

I.

Durch Urteil des Landgerichts Essen vom 23.02.2005 wurde G.C. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der dem Verurteilten in diesem Strafverfahren als Pflichtverteidiger beigeordnete Rechtsanwalt S. aus M. beantragte mit Schriftsatz vom 28.03.2006 die Festsetzung einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 1.570,64 EUR einschließlich 16% Mehrwertsteuer nach einem Gegenstandswert von 104.000,- EUR. Zur Begründung führte er aus, am 19.07.2004 sei der Inhalt von zwei Taschen des G.S. sichergestellt worden. Dabei habe es sich um insgesamt 130.000 Ecstasy-Tabletten gehandelt, die sämtlich eingezogen worden seien. Das Landgericht Essen habe in seinem Urteil vom 23.02.2005 für die 130.000 Tabletten einen Handelswert von 104.000,- EUR angenommen.

Durch Beschluss vom 05.07.2006 setzte die I. Strafkammer des Landgerichts Essen den Gegenstandswert im Hinblick auf eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG auf 104.000,- EUR fest.

Der Bezirksrevisor beim Landgericht Essen legte mit Schreiben vom 24.07.2006, das nach einem - allerdings nicht unterzeichneten - Eingangsvermerk am 25.07.2006 beim Landgericht Bielefeld eingegangen ist, gegen den vorgenannten Beschluss Beschwerde ein mit der Begründung, die Festsetzung des Gegenstandswertes sei abzulehnen. Denn Betäubungsmittel hätten keinen objektiven (legalen) Gegenstandswert. Mit Schreiben vom 25.07.2006, das am selben Tag beim Landgericht Essen einging, legte außerdem die Staatsanwaltschaft Essen Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss vom 05.07.2006 ein. Auch sie vertrat die Auffassung, dass Betäubungsmittel, die unter Verstoß gegen die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes in Besitz gehalten würden, regelmäßig keinen objektiven Verkehrswert besäßen, weil für den Besitzer jegliche Form der Veräußerung und der Weitergabe durch die §§ 29 ff. BtMG ausnahmslos verboten und unter Strafe gestellt sei und auch den Strafverfolgungsbehörden nach der Einziehung mangels legaler Verwendbarkeit nur die Vernichtung der Betäubungsmittel bleibe. Der Umstand, dass die Betäubungsmittel für den Besitzer subjektiv einen Wert darstellen könnten, weil er - illegale - Verwertungsmöglichkeiten kenne, sei als ein rein subjektiver Unrechtswert irrelevant.

Die Strafkammer hat mit Beschluss vom 30.10.2006 der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss vom 05.07.2006 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.

Zur Begründung führte die Strafkammer aus, illegale Drogen hätten einen objektiven Verkehrswert, der sich danach bestimme, welchen Preis einschlägige Kreise zu zahlen bereit seien.

Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm schloss sich in seiner Stellungnahme der sowohl von dem Bezirksrevisor als auch von der Staatsanwaltschaft Essen vertretenen Auffassung an und beantragte, den Gegenstandswert im Hinblick auf eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG auf 0,- EUR festzusetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten der vorgenannten Stellungnahme vom 11.01.2007, die sowohl dem Verteidiger des Verurteilten als auch der Generalstaatsanwaltschaft Hamm übersandt worden ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich in ihrer Stellungnahme vom 24.01.2007 der Auffassung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm, dass im Ergebnis die Staatskasse, wenn es - wie im vorliegenden Verfahren - ausschließlich um spezielle kostenrechtliche Fragen gehe, durch den Bezirksrevisor vertreten werde, angeschlossen, ist aber gleichwohl vorsorglich der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen beigetreten.

II.

Der Gegenstandswert der 130.000 Ecstasy-Tabletten war im Hinblick auf eine Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG auf 0,- EUR festzusetzen.

Dabei konnte es dahingestellt bleiben, ob die Staatsanwaltschaft Essen, die in einem Einziehungsverfahren betreffend die hier in Rede stehenden Drogen für die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen zuständig wäre, oder ob der Bezirksrevisor beim Landgericht Essen, der die Staatskasse in speziell kostenrechtlichen Fragen in der Regel vertritt, hier zur Einlegung der Beschwerde berechtigt war, da beide Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts vom 05.07.2006 eingelegt haben, wobei die Rechtsmitteleinlegung jeweils rechtzeitig erfolgte.

Gemäß § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn...

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