Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmung der Religionszugehörigkeit des Kindes durch den Vormund kommt nicht mehr in Betracht, wenn die zunächst allein sorgeberechtigte Kindesmutter die Bestimmung der Religionszugehörigkeit vor dem vollständigen Entzug der elterlichen Sorge bereits vorgenommen hatte.

2. Eine schon erfolgte Bestimmung der Religionszugehörigkeit kann nicht nur durch die Taufe und/oder durch die schriftlich dokumentierte Aufnahme in eine Religionsgemeinschaft geschehen, sondern auch durch schlüssige Handlungen, die den Willen des früheren Erziehungsberechtigten ernstlich und endgültig deutlich erkennbar werden lassen.

3. Ausreichend für eine Bestimmung der Religionszugehörigkeit sind schriftliche und persönliche Äußerungen der Kindesmutter gegenüber dem zuständigen Familienrichter bzw. dem Sachverständigen im Sorgerechtsverfahren, aus denen der Wille der Kindesmutter, dass das Kind in Zukunft im islamischen Glauben erzogen wird, deutlich erkennbar ist. Unerheblich ist, dass die Kindesmutter wegen der Inobhutnahme ihres Kindes unmittelbar nach der Geburt zu keiner Zeit in der Lage war, mit ihrem Kind die Religionszugehörigkeit tatsächlich zu praktizieren und zu leben.

 

Normenkette

RelKErzG § 3

 

Verfahrensgang

AG Dorsten (Beschluss vom 29.09.2015; Aktenzeichen 12 F 101/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kindesmutter vom 03.11.2015 wird der am 29.09.2015 erlassene Beschluss des AG - Familiengericht - Dorsten abgeändert. Der Antrag des Vormunds, die Taufe des Kindes im römisch-katholischen Glauben zu genehmigen, wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin (im Folgenden: die Kindesmutter) ist die Mutter der am ... 2007 geborenen K (im Folgenden: das Kind). Die Kindesmutter stammt gebürtig aus Marokko; sie ist moslimischen Glaubens. Der Vater des Kindes, G, ist evangelisch. Auf die Abstammungsurkunde des Kindesvaters vom 03.05.1968, der von evangelischen Eltern abstammt, wird Bezug genommen (Nr. 1056/1968 des Standesamtes E).

Unmittelbar nach der Geburt nahm das Jugendamt der Stadt F das Kind in Obhut und verbrachte es in eine Bereitschaftspflegefamilie. Mit Beschluss vom 04.04.2007 entzog das AG - Familiengericht - Duisburg der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind, das Recht zur Gesundheitsfürsorge sowie das Recht, Anträge auf Hilfe zur Erziehung zu stellen, und übertrug die genannten Teile der elterlichen Sorge auf das Jugendamt der Stadt E als Ergänzungspfleger. Mit am 05.04.2007 bei dem Familiengericht eingegangenen Schreiben wies die Kindesmutter u.a. darauf hin, "dass sie sich sehr freue, das Baby in der Hand festzuhalten und nach Islam lieb und gesund zu erziehen." Mit Schreiben vom 10.05.2007 führte die Kindesmutter ergänzend aus, "... fasten habe ich immer gemacht, das Beten schon vor der Schwangerschaft, ich bin als mosleme geboren, und bleibe mosleme als Marokkanerin, und mein Baby K auch als moslimische, marokkanische Name, und wird als mosleme groß. Vater G ist einverstanden, ich zwinge G nicht zu Beten und fasten, es muss von sich selber drauf kommen. Man zwingt keinem dazu." Mit Schreiben vom 30.05.2007, gerichtet an das Familiengericht schreibt sie zu ihrem Kind: "... weil sie mein Leib und Seele ist, und mein Baby als Marokkanerin, und bleibt Marokkanerin wie die Mutter, und wird als mosleme groß gezogen von Mama, O, und Papa G er hat mich als mosleme kennengelernt". Mit Beschluss vom 11.09.2008 entzog das genannte Familiengericht der Kindesmutter - sachverständig beraten durch den Dipl.-Psych. Dr. L2 mit Gutachten vom 12.10.2007 - die elterliche Sorge insgesamt und übertrug diese auf das Jugendamt der Stadt E als Vormund. Gegenüber dem Sachverständigen beklagte die Kindesmutter anlässlich der Begutachtung, "dass niemand mit ihrer Tochter marokkanisch reden und sie zum Koran erziehen könne. Sie wolle ihre Tochter so aufziehen, wie sie von ihren Eltern erzogen worden sei.". Die gegen die Entziehung der elterlichen Sorge gerichtete Beschwerde der Kindesmutter blieb ohne Erfolg. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Beschlüsse im Verfahren der einstweiligen Anordnung und zur Hauptsache sowie auf das diesen Beschlüssen zugrundeliegende Verfahren einschließlich Beschwerdeverfahren Bezug genommen (AG Duisburg, 36 F 99/07 = OLG Düsseldorf, II-2 UF 172/08). Mit am 21.04.2011 erlassenen Beschluss bestellte das AG - Familiengericht - Dorsten das Jugendamt der Stadt F zum Vormund (AG Dorsten, 12 F 41/11).

Seit dem 01.05.2009 lebt das Kind inkognito in einer Dauerpflegefamilie. Eine Taufe des Kindes lehnte die Kindesmutter nach Anfrage des Jugendamtes der Stadt F vom 11.12.2013 ab. Das Kind besucht die 3. Klasse der Grundschule. In der Pflegefamilie leben auch die Kinder der Pflegeeltern. Die Pflegeeltern haben ihre eigenen Kinder auf der Grundlag...

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