Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung der religiösen Erziehung des Kindes durch den Pfleger (§ 3 Abs. 2 Satz 1 RelKerzG) ist regelmäßig dann familiengerichtlich zu genehmigen, wenn das Pflegekind voraussichtlich im sozialen Umfeld der Pflegeeltern aufwachsen wird und das soziale Umfeld auch die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft umfasst. Spielt die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft auch für die Pflegeeltern keine, bzw. nur eine untergeordnete Rolle, kann es geboten sein, die Entscheidung über die Bestimmung der religiösen Erziehung zurückzustellen.

 

Normenkette

RelKErzG § 3 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 5c F 136/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 30. Juni 2020 geändert:

Der Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung der griechisch-orthodoxen Taufe des Kindes ..., geboren am ... wird abgewiesen.

Mit Beschluss des Familiengerichts Worms vom 4. Oktober 2018 wurde der Kindesmutter - mit deren Einverständnis - die elterliche Sorge für das am ... geborene Kind ... entzogen, Vormundschaft angeordnet und das Jugendamt der Stadtverwaltung ... zum Amtsvormund bestimmt. Der Vater des Kindes ist nicht bekannt. Finn lebte zunächst - schon vor dem Beschluss - bei seiner Großmutter und wechselte im September 2019 in die Pflegefamilie ... zur Dauerpflege. Einmal im Monat finden betreute Umgangskontakte zur Großmutter statt. Die leibliche Mutter hat derzeit keinen Kontakt zu ihrem Sohn.

Der Vormund hat auf Wunsch der Pflegeeltern um familiengerichtliche Genehmigung einer griechisch-orthodoxen Taufe des Kindes nachgesucht und dies damit begründet, dass die Pflegefamilie, insbesondere die Pflegemutter, sehr gläubig sei.

Das Familiengericht hat die griechisch-orthodoxe Taufe familiengerichtlich genehmigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Taufe entspreche dem Wunsch der Pflegefamilie.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der leiblichen Mutter. Sie führt aus, sie wolle Finn Carlos selbst taufen, wenn er "ein bisschen älter" sei, denn so sei es in ihrer Familie üblich.

Die Beschwerde der Kindesmutter ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei und hat auch in der Sache Erfolg. Für die auf Grundlage des § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (RelKErzG) vom Amtsvormund getroffene Bestimmung, das Kinds ... griechisch-orthodox taufen zu lassen, kann die nach § 3 Abs. 2 Satz 2 RelKErzG erforderliche familiengerichtliche Genehmigung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erteilt werden. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn sie dem Kindeswohl entspricht. In aller Regel ist dies dann der Fall, wenn das Pflegekind voraussichtlich im sozialen Umfeld der Pflegeeltern aufwachsen soll und das soziale Umfeld auch die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft umfasst (Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 13 UF 581/13 = FamRZ 2014, 1122). Das Kind soll in diesem Fall keine Ausgrenzung dadurch erfahren, dass es nicht der Religionsgemeinschaft seiner engsten Bezugspersonen angehört.

Vorliegend dürfte nach Aktenlage eine Rückkehr des Kindes in den mütterlichen Haushalt in absehbarer Zeit zwar nicht in Betracht kommen mit der Folge, dass ... voraussichtlich im Haushalt seiner Pflegeeltern aufwachsen wird. Die leibliche Mutter hat sich in jüngerer Vergangenheit nicht um einen Kontakt zu ihrem Sohn bemüht.

Die Anhörung der Pflegeeltern vor dem Senat hat aber nicht ergeben, dass das soziale Umfeld der Pflegefamilie durch die Zugehörigkeit zur griechisch-orthodoxen Kirche wesentlich geprägt ist. Der Pflegevater erklärte, er sei selbst katholisch getauft worden, habe aber keinen großen Bezug zur Kirche und sei vor etwa zwei Jahren aus finanziellen Gründen aus der Kirche ausgetreten. Auch die Kindesmutter sei "nicht übermäßig gläubig", gehöre aber der griechisch-orthodoxen Kirche an. Nach eigenen Angaben geht sie ("wenn es hoch kommt") an Ostern und Weihnachten in die Kirche. Im Alltag spiele die Religion in der Familie dagegen keine Rolle, eine Ausübung religiöser Rituale finde nicht statt. Letztlich strebe man die Taufe des Kindes vor allem deshalb an, weil sie aus ihrer Sicht "dazugehöre" und man fürchte, ... könne als nicht getauftes Kind in der Schule gehänselt werden. Vor diesem Hintergrund ist die Erwägung des Vormundes, die Taufe werde befürwortet, weil die Pflegefamilie "sehr gläubig" sei, nicht nachvollziehbar. Das Bekenntnis und die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft sind für die Pflegeeltern offensichtlich nur von untergeordneter Bedeutung und prägen weder das Zusammenleben noch die Erziehung des Kindes.

Vor allem der Pflegevater hat nicht plausibel aufzeigen können, warum er einerseits die griechisch-orthodoxe Taufe des Kindes gegen den Willen der leiblichen Mutter durchsetzen möchte, er sich andererseits selbst erst in jüngerer Vergangenheit durch seinen Kirchenaustritt (aus finanziellen Gründen) dazu entschieden hat, überhaupt keiner Konfession anzugehören...

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