Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtsermittlung und Ausforschungsbeweis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage, ob im Rahmen der Amtsermittlungspflicht ein Beweisantrag übergangen werden darf, weil er auf eine unzulässig Ausforschung gerichtet ist, können die für den Zivilprozess entwickelten Grundsätze entspr. angewandt werden.

2. Für die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit eines Beweisantritts, durch den eine die Amtspflichten des Notars beeinflussende Kenntnis von Tatsachen bewiesen werden soll, reicht es nicht aus, dass die dazu vorgetragenen Anhaltspunkte nicht bereits feststehen, sondern ihrerseits beweisbedürftig sind.

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Beschluss vom 31.03.2003; Aktenzeichen 7 T 205/03)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde an das LG zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 898,62 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 2) beurkundete am 22.8.2001 zu UR-Nr. 424/01 einen Vertrag, in dem die Beteiligte zu 1) ihr im Grundbuch von … Bl. 3596 eingetragenes, mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück an den Kaufmann … verkaufte und aufließ. Die Fälligkeit des mit 375.000 DM vereinbarten Gesamtkaufpreises wurde für den 30.9.2001 vereinbart. Der Kaufvertrag ist nicht durchgeführt worden, nachdem der Käufer … nicht in der Lage war, den Kaufpreis zu belegen; auch die Beurkundungskosten sind von ihm nicht bezahlt worden. Der Käufer hat im Dezember 2001 die eidesstattliche Versicherung zur Offenbarung seiner Vermögensverhältnisse abgegeben.

Der Beteiligte zu 2) hat der Beteiligten zu 1) unter dem 24.10 2001 eine Kostenberechnung für die Beurkundung des Vertrages vom 22.8.2001 erteilt, deren Fassung er im Lauf des vorliegenden Verfahrens am 21.11.2002 berichtigt hat.

Gegen diese Kostenberechnung hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 24.7.2002 Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung sie geltend gemacht hat, der Beteiligte zu 2) habe seine Amtspflichten ihr ggü. verletzt, indem er sie nicht über die zum Zeitpunkt der Beurkundung bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit des Käufers … unterrichtet habe. Die Kenntnis des Beteiligten zu 2) von der Zahlungsunfähigkeit des Käufers … hat die Beteiligte zu 1) durch den Antrag auf dessen Vernehmung als Zeuge unter Beweis gestellt. Für eine solche Kenntnis spreche zusätzlich, dass – so hat die Beteiligte zu 1) unter weiterem Beweisantritt behauptet – der Beteiligte zu 2) sich aus Anlass der Beurkundungsverhandlung mit dem Käufer … geduzt habe. Zudem habe der Beteiligte zu 2) bei anderen Immobiliengeschäften mehrfach unter Beteiligung des Käufers Beurkundungen vorgenommen. Bei der Abwicklung dieser Geschäfte müsse ebenfalls offenbar geworden sein, dass diese wegen der Liquiditätsprobleme des Käufers nicht hätten durchgeführt werden können.

Der Beteiligte zu 2) ist der Beschwerde entgegengetreten. Er hat eine eigene Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Käufers … in Abrede gestellt. Zu diesem unterhalte er keine privaten Verbindungen und duze sich auch nicht mit ihm. Er habe in der Vergangenheit lediglich an einigen wenigen Vorgängen als Notar mitgewirkt, an denen auch der Käufer beteiligt gewesen sei.

Das LG hat nach Einholung einer Stellungnahme der Präsidentin des LG vom 26.2.2003 durch Beschluss vom 31.3.2003 die Beschwerde ohne Durchführung einer Beweisaufnahme zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22.5.2003 bei dem LG eingelegt hat.

Der Beteiligte zu 2) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II. Die weitere Beschwerde ist infolge Zulassung durch das LG gem. § 156 Abs. 2 S. 22 KostO statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 156 Abs. 4 S. 4 KostO, 27 Abs. 1 S. 1 FGG) Die weitere Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer gem. § 156 Abs. 1 KostO zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) ausgegangen. Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LG davon abgesehen hat, den Käufer … zum Verfahren hinzuzuziehen. Im Verfahren der Notariatskostenbeschwerde sind zwar grundsätzlich sämtliche Personen am Verfahren zu beteiligen, die Kostenschuldner der von dem Notar angesetzten Gebühren und Auslagen sind. Denn die Entscheidung über den Bestand des Kostenanspruchs des Notars muss ggü. allen Kostenschuldnern einheitlich getroffen werden. Im vorliegenden Fall ergibt sich indessen die Besonderheit, dass die Beteiligte zu 1) ihre gegen die Kostenberechnung e...

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