Leitsatz (amtlich)
Die Liquidation ist i.S.v. § 74 I GmbHG noch nicht beendet, wenn ein die Gesellschaft betreffendes Steuerverfahren noch nicht abgeschlossen und ihr noch ein Steuerbescheid zuzustellen ist (Abgrenzung zu den Fällen des § 394 FamFG und Senat, Beschluss vom 03.09.2014, 27 W 109/14; Beschluss vom 21.04.2015, 27 W 46/15).
Normenkette
GmbHG § 74 Abs. 1; FamFG § 394
Verfahrensgang
AG Essen (Beschluss vom 30.03.2015; Aktenzeichen HRB 7697) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1.) vom 16.04.2015 gegen den Beschluss des AG Essen vom 30.03.2015, nicht abgeholfen durch Beschluss vom 17.04.2015, wird auf Kosten der Beteiligten zu 1.) zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 2.) hat mit notarieller Urkunde - UR-Nr. 60/2015 - vom 20.02.2015 die Beendigung der Liquidation und das Erlöschen der Firma zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet.
Das AG hat mit Verfügung vom 26.02.2015 die zuständige Finanzbehörde um Stellungnahme gebeten, ob die Gesellschaft gelöscht werden kann. Die Finanzbehörde hat daraufhin mit Schreiben vom 10.03.2015 darum gebeten, die Löschung nicht vorzunehmen, da noch Verwaltungsakte zuzustellen seien.
Mit Verfügung vom 13.03.2015 hat das AG die Rücknahme der Anmeldung und erneute Einreichung im Fall der Löschungsreife angeregt. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass die Liquidation noch nicht als beendet angesehen werden könne, weil die Finanzbehörde einer Löschung der Gesellschaft noch nicht zugestimmt habe.
Der beurkundende Notar hat mit Schreiben vom 24.03.2015 um Rückstellung für dreißig Tage gebeten, weil nach Rücksprache mit dem Steuerberater und aktueller Prüfung durch die Finanzbehörde deren Zustimmung in diesem Zeitraum zu erwarten sei.
Das AG hat die Anmeldung mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.03.2015 unter Hinweis auf die in dem Schreiben vom 13.03.2015 genannten Gründe zurückgewiesen. Weiter hat das AG ausgeführt, dass es bei einer Verneinung der Löschung seitens der Finanzbehörde mit der hier gegebenen Begründung die Rücknahme der Anmeldung und die Neuvornahme zu einem Zeitpunkt anrege, wenn die Behörde ihre Zustimmung zur Löschung vorbehaltlos erteilt habe. Mit Löschung des Rechtsträgers wären Zustellungen von Steuerbescheiden nicht mehr möglich und eine Nachtragsliquidation würde sehenden Auges in Kauf genommen. Wegen der zu befürchtenden Nachtragsliquidation sei anderslautender obergerichtlicher Rechtsprechung nicht zu folgen.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1.) mit der rechtzeitig eingegangenen Beschwerde vom 16.04.2015.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Hierbei hat das AG darauf verwiesen, auch das ordnungsgemäße Legen der Schlussrechnung gehöre neben der Auskehr des Vermögens zu den wesentlichen Voraussetzungen der Beendigung der Liquidation. Eine ordnungsgemäße Schlussrechnung könne daher erst nach Abschluss auch der steuerrechtlichen Abwicklung der Gesellschaft erfolgen.
Im Beschwerdeverfahren hat der Senat mit Verfügungen vom 28.05.2015 und vom 18.06.2015 auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte hingewiesen.
Die Finanzbehörde hat mit Schreiben vom 02.06.2015 mitgeteilt, dass gegen die beabsichtigte Löschung Bedenken bestünden, da eine steuerliche Außenprüfung bei der Gesellschaft durchgeführt werde. Die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft könne derzeit vom Veranlagungsbezirk nicht geprüft werden. Zudem seien nach Abschluss der Außenprüfung noch Verwaltungsakte zuzustellen.
Die Beteiligte zu 1.) hat mit Schreiben vom 10.06.2015, 12.06.2015 und 13.07.2015 in der Sache noch Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidungen, den Inhalt der jeweiligen Verfügungen und Schreiben sowie den sonstigen Akteninhalt verwiesen.
II. Das AG hat die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen.
1.) Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist der Schluss der Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, wenn die Liquidation beendet und die Schlussrechnung gelegt ist.
Die Liquidation ist beendet, wenn das verwertbare Gesellschaftsvermögen verteilt ist und auch keine sonstigen Abwicklungsmaßnahmen mehr erforderlich sind. Daran fehlt es, wenn ein die Gesellschaft betreffendes Steuerverfahren noch nicht abgeschlossen und der Gesellschaft noch ein Steuerbescheid zuzustellen ist. In dieser Situation kann von einer beendeten Abwicklung keine Rede sein. Nicht abgeschlossene Steuerverfahren können - von zu bewirkenden Zustellungen abgesehen - etwa durch Steuer(nach)forderungen oder Steuererstattungen noch Auswirkungen auf das Gesellschaftsvermögen haben. Die Einlegung von Rechtsmitteln gegen Steuerbescheide kann sich zudem als geboten erweisen. Auch sonst besteht regelmäßig keine Veranlassung, eine Gesellschaft durch ihre Löschung gleichsam einem laufenden Steuerverfahren zu entziehen (vgl. zum Ganzen OLG Hamm NJW-RR 2002, 324 ff, Rn. 13 und Rn. 17; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage, § 74, Rn. 2 und § 60, Rn. 105 mit weiteren Nachweisen).
Für die Richtigkeit ...