Leitsatz (amtlich)

Eine für einen innerstädtischen Geh- und Radweg verkehrssicherungspflichtige Kommune ist nicht verpflichtet, gegen eine die Sicht der Verkehrsteilnehmer einschränkende Bepflanzung auf einem privaten Grundstück vorzugehen, wenn die Verkehrsteilnehmer die eingeschränkten Sichtverhältnisse rechtzeitig erkennen und sich auf sie einstellen können.

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 9, 9a, 30, 47

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 411/21)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

 

Gründe

Die Berufung ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Das Landgericht hat zutreffend einen Schadensersatzanspruch des Klägers aufgrund des Unfallgeschehens am 00.09.2019 um 9.00 Uhr im Kreuzungsbereich der U.-straße / Einmündung I.-straße im Gebiet der beklagten Stadt gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW als der allein als in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage mangels Vorliegens einer Amtspflichtverletzung verneint.

1. Die Beklagte hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht dadurch verletzt, dass sie die von dem neben dem Weg gelegenen Privatgrundstück in den Kreuzungsbereich hineinragende Hecke sowie den auf demselben Privatgrundstück stehenden Zaun nicht entfernt oder dem Grundstückseigentümer aufgegeben hat, Hecke und Zaun zu entfernen oder zu kürzen. Zu einem solchen Handeln bestand keine Veranlassung.

a) Nach ständiger Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat folgt, haben die für die Sicherheit der in ihren Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen zuständigen Gebietskörperschaften im Rahmen des ihnen Zumutbaren nach Kräften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteilnehmer in diesen Bereichen nicht zu Schaden kommen. Allerdings muss der Sicherungspflichtige nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen, da eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, praktisch nicht erreichbar ist. Vielmehr bestimmt sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht danach, für welche Art von Verkehr eine Verkehrsfläche nach ihrem Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist und was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Dabei haben Verkehrsteilnehmer bzw. die Straßen- und Wegebenutzer die gegebenen Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten, und mit typischen Gefahrenquellen zu rechnen. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung anderer ergibt (OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006, 9 U 143/05, zitiert nach juris Tz. 9 mit Verweis auf: OLG Hamm, Urteil vom 19.07.1996 zu 9 U 108/96, NZV 1997, S. 43; OLG Hamm, Urteil vom 25.05.2004 zu 9 U 43/04, NJW-RR 2005, S. S. 255, 256). Dies ist der Fall, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Benutzer bei Beachtung der zu erwartenden Eigensorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. dazu grundlegend: BGH, Urteil vom 21.06.1979 zu III ZR 58/78, VersR 1979, S. 1055; BGH, Urteil vom 11.12.1984 zu VI ZR 218/83, NJW 1985, S. 1076; OLG Hamm, Urteil vom 03.02.2009 zu 9 U 101/07, NJW-RR 2010, S. 33; OLG Hamm, a.a.O., NJW 2004, S. 255, 256; OLG Hamm, Urteil vom 09.11.2001 zu 9 U 252/98, NZV 2002, S. 129, 130; Zimmerling/Wingler in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 839 BGB Rdn. 511; im Anschluss: OLG Celle, Urteil vom 07.03.2001 zu 9 U 218/00, zitiert nach juris). Die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahren und von den Benutzern hinzunehmenden Erschwernissen wird dabei maßgeblich durch die sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden Sicherheitserw...

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