Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Auslieferung nach Rumänien zur Strafvollstreckung aus einem Abwesenheitsurteil

 

Leitsatz (amtlich)

Das Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 466 ff. der rumänischen Strafprozessordnung genügt grundsätzlich den Anforderungen des § 83 Abs. 4 IRG hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung zur Strafvollstreckung aus einem Abwesenheitsurteil.

 

Normenkette

IRG § 83 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4

 

Verfahrensgang

GStA Hamm (Aktenzeichen 4 Ausl. A 142/15)

 

Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung auf der Grundlage der ihm in dem Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts Corabia vom 13.02.2012 (Nr. 1/13.02.2012; 2557/213/2011) i.v.m. dem Urteil des Amtsgerichts Corabia vom 15.11.2011 (Nr. 206) zur Last gelegten Tat ist zulässig.

 

Gründe

I.

Die rumänischen Behörden betreiben gegen den Verfolgten das Auslieferungsverfahren zur Strafvollstreckung und haben ihn im Schengener Informationssystem unter der SIDN X000000 159840600001 zur Festnahme ausgeschrieben. Die Ausschreibung gründet sich auf den Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts Corabia vom 13.02.2012 (Nr. 1/13.02.2012; 2557/213/2011), der sich wiederum auf den nationalen Haftbefehl dieses Gerichts vom 08.12.2011 (Nr. 250) gründet, der wiederum seine Grundlage in dem - seit dem 08.12.2011 rechtskräftigen - Urteil des Amtsgerichts Corabia vom 15.11.2011 (Nr. 206) hat.

Mit dem vorgenannten Urteil wird dem Verfolgten zur Last gelegt, es in den Jahren 2009 bis 2011 in Corabia/Rumänien pflichtwidrig unterlassen zu haben, seiner richterlich verfügten Unterhaltspflicht gegenüber seinem minderjährigen Kind O B nachzukommen.

Es handelt sich um ein strafbares Verhalten nach Art. 305 des rumänischen Strafgesetzbuches. Wegen dieser Tat ist der Verfolgte mit dem vorbezeichnetem Urteil zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden, die er noch vollständig zu verbüßen hat.

Das Urteil des Amtsgerichts Corabia vom 15.11.2011 (Nr. 206) ist ausweislich der Zuschrift der rumänischen Behörden vom 19.08.2015 in Abwesenheit des Verfolgten ergangen. Der Verfolgte ist weder zu dem Hauptverhandlungstermin persönlich geladen noch ist ihm das Urteil bislang zugestellt worden. Der Verfolgte war in der Hauptverhandlung, die zu dem Abwesenheitsurteil geführt hat, auch nicht durch einen (Wahl- oder Pflicht-)Verteidiger vertreten.

Der Verfolgte ist am 09.07.2015 in F vorläufig festgenommen worden und befand sich seit diesem Tage zunächst aufgrund der Festhalteanordnung des Amtsgerichts F vom 09.07.2015 (71 Gs 1192/15) in Auslieferungshaft in der Justizvollzugsanstalt F, sodann ab dem 16.07.2015 aufgrund des förmlichen Auslieferungshaftbefehls des Senats vom selben Tage, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Anlässlich seiner Vorführung bei dem Amtsgericht F am 09.07.2015 hat der Verfolgte angegeben, er sei rumänischer Staatsangehöriger und zuletzt unter seiner Meldeanschrift in F wohnhaft gewesen. Er habe etwa zwei Jahre in Deutschland gearbeitet, sei zurzeit jedoch arbeitslos. Zunächst habe er von ALG I gelebt, mittlerweile lebe er aber von ALG II. Er habe zwei Kinder. Er bitte darum, dass seine Lebensgefährtin in F benachrichtigt werde. Zu dem Tatvorwurf hat er sich nicht geäußert.

Der Verfolgte hat Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben.

Bei der Anhörung im Rahmen der Verkündung des förmlichen Auslieferungshaftbefehls des Senats vom 16.07.2015 durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Hamm am 28.07.2015 hat der Verfolgte zu dem Tatvorwurf angegeben, er wisse nicht, ob das Kind von ihm sei, für das er Unterhalt zahlen solle. Er habe 2005 den letzten Kontakt gehabt. Danach sei er in Spanien gewesen. Später sei er festgenommen worden und habe sich dann in Rumänien wieder integrieren müssen. Als er freigekommen sei, sei er 2011 bereits nach Deutschland gekommen und sei seitdem in hier in F gemeldet. Das Kind habe schon seinen Namen gehabt, was unmöglich sei. Die zwei Kinder, die hier in Deutschland bei seiner Lebensgefährtin lebten, seien dagegen seine Kinder.

Der deutsche Staat könne ihm nicht helfen; er werde das mit den rumänischen Behörden klären. Er sei daher nunmehr mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 01.09.2015 gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 IRG die Entlassung des Verurteilten aus der Auslieferungshaft veranlasst.

Hintergrund war, dass die rumänischen Behörden in Bezug auf das Abwesenheitsurteil mit Zuschrift vom 19.08.2015 auf die Nachfrage der Generalstaatsanwaltschaft, welche Garantien auf ein neues Strafverfahren im Hinblick auf Art. 5 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13.06.2012 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten (RB-EuHB) abgegeben werden können, lediglich mitgeteilt haben, "es besteht die Möglichkeit, dass der Verfolgte das Wiederaufnahmeverfahren beansprucht, Rechtsbehelf gegen [die] Vollstreckungsentscheidung oder Revisionsantrag einlegt".

Die Generalstaatsanwaltschaft...

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