Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbeschränkung. Bindungswirkung. Verweis auf Feststellungen im angefochtenen Urteil. Erörterungsmangel. eigene Feststellungen
Leitsatz (amtlich)
Verkennt das Berufungsgericht die Reichweite der Bindungswirkung einer Berufungsbeschränkung und verabsäumt es deswegen, zu seiner Rechtsfolgenentscheidung notwendige eigene Feststellungen zu treffen, liegt darin ein durchgreifender, auf die Sachrüge hin beachtlicher, Darstellungs- und Erörterungsmangel zu Lasten des Angeklagten. Das Berufungsgericht darf (soweit nicht die erstinstanzlichen Feststellungen bindend geworden sind) sein Urteil nur auf eigene Feststellungen gründen.
Im Berufungsurteil ist eine Bezugnahme oder ein Verweis auf infolge einer Rechtsmittelbeschränkung tatsächlich bindend gewordene Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils überflüssig.
Normenkette
StPO §§ 318, 267
Verfahrensgang
AG Detmold (Entscheidung vom 07.02.2020) |
LG Detmold (Aktenzeichen 22 Ns 29/20) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere kleine Strafkamer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Detmold hat den Angeklagten mit Urteil vom 07.02.2020 wegen des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt und diese in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Sein Rechtsmittel hat das Landgericht Detmold mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er eine Verletzung materiellen Rechts rügt und insbesondere die Nichtaussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung angreift. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung des Rechtsmittels als offensichtlich unbegründet beantragt.
II.
Die zulässige Revision hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO).
1.
Die Gründe des angefochtenen Urteils lassen besorgen, dass das Landgericht den Umfang der Bindungswirkung der erstinstanzlichen Feststellungen aufgrund der zulässigen und wirksamen Berufungsbeschränkung verkannt und deswegen verabsäumt hat, zu seiner Rechtsfolgenentscheidung notwendige eigene Feststellungen zu treffen. Darin liegt ein durchgreifender, auf die Sachrüge hin beachtlicher, Darstellungs- und Erörterungsmangel zu Lasten des Angeklagten. Das Gericht darf (soweit nicht die erstinstanzlichen Feststellungen binden geworden sind) sein Urteil nur auf eigene Feststellungen gründen (vgl. Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rdn. 12).
a) Zutreffend noch geht das Landgericht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch aus. Es heißt dann unter III. des angefochtenen Urteils:
"In Folge der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels sind der Schuldspruch und die ihm zu Grunde liegenden Feststellungen in Rechtskraft erwachsen. Insoweit wird auf das amtsgerichtliche Urteil beginnend auf S. 3 "Am 00.00.2019 wurde die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten ...' und endend auf S. 4 '...welche den Namen 'Kein-Täter-Werden trägt' Bezug genommen."
Dieser in Bezug genommene Abschnitt des amtsgerichtlichen Urteils enthält indes nicht nur Feststellungen zu dem dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Tatgeschehen, sondern auch Feststellungen zur Person des Angeklagten, nämlich dass er sich nach der Durchsuchung, bei der die inkriminierten Schriften bei ihm aufgefunden wurden, in therapeutische Behandlung begeben und im Juli 2019 mit einer triebdämpfenden medikamentösen Therapie begonnen habe. Seit November 2014 werde er regelmäßig von einem Psychiater behandelt und habe sich um Anschluss an eine Therapiegruppe bemüht. Diese Feststellungen sind keine Feststellungen, die dem Schuldspruch zu Grunde liegen, sondern sind Feststellungen, die (ausschließlich) relevant sind für die Rechtsfolgenseite. Sie sind nicht bindend geworden.
Wie der Verweis des Landgerichts zeigt, hat dieses aber die o. g. Feststellungen für bindend erachtet. Es hat dementsprechend insoweit auch keine eigenen Feststellungen getroffen, was aber zu erwarten und notwendig gewesen wäre. So wären angesichts des Zeitablauf zwischen der Durchsuchung bei dem Angeklagten im April 2019 und dem Berufungsurteil im September 2020 und der seitdem durchgeführten Therapie sowie angesichts der rund fünfzehnmonatigen Behandlung mit triebdämpfenden Medikamenten Ausführungen zu Verlauf und Wirkung dieser beiden Behandlungen zu erwarten und notwendig gewesen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass zwischen den Urteilen erster und zweiter Instanz siebeneinhalb Monate liegen. Dass Angaben hierzu fehlen, deutet - neben der Formulierung der Inbezugnahm...