Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbeschränkung. Rechtsmittelbeschränkung. Wirksamkeit. Strafzumessung. hoher Schaden. Bewährung. besondere Umstände
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Berufungsbeschränkung auf die Anfechtung der Gesamtstrafe ist - anders als ggf. eine Beschränkung des Rechtsmittels der Revision - nicht unwirksam, wenn die amtsgerichtliche Gesamtstrafenbildung lediglich "unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände" erfolgte, ohne dass noch einmal ein umfassender gesonderter Strafzumessungsvorgang stattgefunden hatte. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht die Gesamtrafenbemessung vornehmen kann, ohne sich mit der Begründung des Amtsgerichts zur Einzelstrafbemessung in Widerspruch zu setzen.
2. Die tatrichterliche Wertung, ein Gesamtschaden von mehr als 2.200 Euro, der durch die abgeurteilten Einzeltaten insgesamt herbeigeführt wurde, sei "nicht besonders hoch", ist aus Rechtsgründen jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn keine besondere Opferempfindlichkeit vorliegt.
3. Es ist widersprüchlich und damit rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter einerseits insgesamt "kaum zu überwindende Bedenken" gegen eine Strafaussetzung zur Bewährung hat, gleichwohl aber dann das Vorliegen besonderer Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB bejaht und hierfür keine stichhaltigen Umstände anführt.
Normenkette
StPO §§ 318, 327; StGB §§ 46, 56 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 22 Ns 77/16) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen
hinsichtlich des Angeklagten H (im Rechtsfolgenausspruch) in vollem Umfang
und hinsichtlich des Angeklagten X (im Rechtsfolgenausspruch) hinsichtlich der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hatte die Angeklagten wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls in zehn Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb, jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Berufung der Angeklagten, die diese in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft "auf den Strafausspruch und insoweit weiter auf die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen und die jeweils versagte Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt" (und die Einzelstrafen ausdrücklich vom Berufungsangriff ausgenommen) haben, hat das Landgericht (nach vorläufiger Einstellung zweier Anklagevorwürfe nach § 154 Abs. 2 StPO) das amtsgerichtliche Urteil dahin abgeändert, dass beide Angeklagte wegen Diebstahls in acht Fällen, davon in einem Fall wegen Versuchs, jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sind, deren Vollstreckung das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt hat. Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass die Angeklagten sich als Mitarbeiter einer Getränke- und Snackautomatenfirma ausgegeben und so Zutritt zu in verschiedenen Unternehmen aufgestellten Automaten erlangt hatten, welchen sie dann das Bargeld in jeweils unterschiedlicher Höhe (insgesamt 2.264 Euro) entnahmen.
Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt und diese mit der Sachrüge begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen. Sie hält bereits die Berufungsbeschränkung für unwirksam.
Die Angeklagten haben beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat bzgl. des Angeklagten H in vollem Umfang, bzgl. des Angeklagten X nur hinsichtlich der Aussetzungsentscheidung Erfolg. In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung und Zurückverweisung (§§ 353, 354 Abs. 2 StGB). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
1.
Zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt nicht bereits, dass das Landgericht die Beschränkung der Berufung der Angeklagten auf den Gesamtstrafenausspruch und die Frage der (vom Amtsgericht versagten) Strafaussetzung zur Bewährung zu Unrecht als wirksam erachtet hätte. Vielmehr ist die Berufungsbeschränkung wirksam.
Beide Angeklagte sowie ihre Verteidiger haben ihr Rechtsmittel in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft (§ 303 StPO) entsprechend beschränkt. Die Berufung konnte auch wirksam auf diese Beschwerdepunkte nach § 318 S. 1 StPO beschränkt werden. Auf die Sachrüge hin hat das Revisionsgericht (auch) zu prüfen, ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen ist. Grundsätzlich gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 S. 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtun...