Leitsatz (amtlich)
Ist eine im Wege der einstweiligen Anordnung erlassene Gewaltschutzanordnung entgegen § 1 Abs. 1 S. 2 GewSchG nicht befristet worden, führt dies dazu, dass in einem mehrere Jahre später geführten Ordnungsgeldverfahren wegen behaupteter Verstöße gegen die Anordnung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Beachtung zu schenken ist.
Normenkette
GewSchG § 1 Abs. 1 S. 2; ZPO § 890 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Marl (Beschluss vom 21.08.2014; Aktenzeichen 36 F 297/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Marl vom 21.8.2014 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung von Ordnungsmitteln wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens erster und zweiter Instanz werden der Antragstellerin auferlegt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 300 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten waren neun Jahre lang miteinander liiert, sie trennten sich im Februar 2011 auf Veranlassung der Antragstellerin.
Mit am 20.10.2011 erlassenen Beschluss untersagte das AG - Familiengericht - Marl (Aktenzeichen 36 F 297/11) dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung,
- die Antragstellerin zu bedrohen
- sich der Wohnung der Antragstellerin I-Str. 45, N, näher als 20 m zu nähern sowie den Arbeitsplatz der Antragstellerin, Gebr. C2 GmbH, C-Str. 11, N, einschließlich der zugehörigen Baustellen, aufzusuchen
- sich der Wohnung der Eltern der Antragstellerin näher als 20 m zu nähern
- ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen
- mit der Antragstellerin - auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln - Verbindung aufzunehmen.
Ferner drohte das AG dem Antragsgegner für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Anordnungen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten an. Eine Befristung enthält der Beschluss vom 20.10.2011 nicht.
Die vom Antragsgegner gegen vorstehenden Beschluss gerichtete Beschwerde (II-2 UF 297/11, OLG Hamm) nahm dieser - nach Durchführung einer Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren 36 F 355/11, AG Marl - zurück. Das vorgenannte Hauptsacheverfahren hatte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 23.11.2011 mit dem Ziel eingeleitet, den Beschluss des AG - Familiengericht - Marl (Aktenzeichen 36 F 297/11) insoweit aufzuheben als ihm verboten worden ist, die Antragstellerin zu bedrohen, ihren Arbeitsplatz einschließlich der zugehörigen Baustellen zu besuchen sowie sich der Wohnung der Eltern der Antragstellerin mehr als 20 m zu nähern sowie um eine Befristung der Gewaltschutzanordnung zu erwirken. Vorstehenden Antrag nahm der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vom 1.2.2012 ebenfalls zurück. Sein Verfahrensbevollmächtigter gab zudem folgende Erklärung ab: "Der Antragsteller behält sich vor, die Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 20.10.2011, welche unter dem Aktenzeichen 36 F 297/11 ergangen ist, zu beantragen, wenn es innerhalb von drei Jahren zu keinem Verstoß hiergegen gekommen ist.".
Der Antragsgegner ist mittlerweile mit der Zeugin T liiert, die in einer Wohnung im Hause I-Str. 49, N, also in unmittelbarer Nachbarschaft der Antragstellerin, lebt. Beide Häuser sind über eine von der I-Straße abgehende Stichstraße zu erreichen, an welcher zudem Parkplätze gelegen sind. Der Antragsgegner sucht die Wohnung der Zeugin T täglich auf. Die Zeugin hat einen Hund, mit welchem der Antragsgegner mehrmals täglich in der Umgebung der Wohnung spazieren geht. Am 18.5.2014 stand die Antragstellerin am Fahrbahnrand der I-Straße im Bereich der Parkplätze vor dem Haus Nr. 45, als der Antragsgegner in einem Pkw an ihr vorbeifuhr. Die näheren Einzelheiten sind streitig.
Die Antragstellerin hat behauptet, dass sie sich seit Erlass der einstweiligen Anordnung weiterhin von dem Antragsteller beobachtet fühle. Am 22.12.2013 habe er ihr an ihrer Haustür aufgelauert. Sie sei zuvor mit dem Auto in die Stichstraße eingebogen und habe vor dem Haus Nr. 45 geparkt. Als sie auf die Haustür zugegangen sei, habe der Antragsgegner direkt vor dieser gestanden. Der Antragsgegner nutze zudem die Spaziergänge mit dem Hund seiner Freundin dazu, in der Grünanlage vor den Häusern I-Str. 45 - 49 stehen zu bleiben und die Wohnung und den Balkon der Antragstellerin zu beobachten. Dies sei u.a. am 2.3.2014 um 15:07 Uhr, am 3.3.2014 um 11:24 Uhr, am 9.3.2014 um 14:28 Uhr und am 8.3.2014 um 12:40 Uhr der Fall gewesen. Am 18.3.2014 habe sie den regelmäßigen Standort des Antragsgegners vom Balkon aus fotografiert. Auch am 18.4.2014 um 16:40 Uhr und am 27.4.2014 um 21:40 Uhr sei der Antragsgegner mit dem Hund am Haus vorbeigegangen und habe die Antragstellerin bzw. deren Balkon von den Grünanlagen aus beobachtet. Zudem parke er sein Fahrzeug seit einiger Zeit vor dem Haus, um die Antragstellerin und ihren Pkw zu beobachten. Am 18.5.2014 habe sie auf der Fahrbahn der Stichstraße vor ihrem Haus gestanden, um Fahrräder auf den Pkw des Zeuge...