Leitsatz (amtlich)
1.
Zum erforderlichen Umfang der Begründung der Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass das Amtsgericht den Betroffenen zu Unrecht nicht vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden habe.
2.
Die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung kann erforderlich sein, wenn er sich auf ein Augenblicksversagen beruft und dazu Nachfragen des Gerichts erforderlich sind.
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Entscheidung vom 11.01.2006) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Durch Bußgeldbescheid der Stadt Bielefeld vom 23.08.2004 ist gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 37 Abs. 2, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG eine Geldbuße von 125,- EUR und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt worden. Den dagegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Bielefeld zunächst mit Urteil vom 09.03.2005 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Dieses Urteil ist durch den Senat mit Beschluss vom 23.06.2005 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben worden.
In dem erneuten Hauptverhandlungstermin vom 11.01.2006 hat der unterbevollmächtigte Verteidiger des Betroffenen beantragt, den Betroffenen von seinem persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Bielefeld in der Hauptverhandlung vom 11.01.2006 abgelehnt und den Einspruch des Betroffenen durch Urteil vom selben Tage nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.
Gegen das dem Verteidiger am 25.01.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.01.2006 per Telefax eingegangene Rechtsbeschwerde vom selben Tage, die mit Schriftsatz vom 27.02.2006 - eingegangen per Telefax am selben Tag - mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet worden ist.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Die Verwerfung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid unter Verletzung der §§ 73 Abs. 2, 74 Abs. 2 OWiG kann ausschließlich mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden (Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 74 Rdnr. 48 b m.w.N.). Soweit der Beschwerdeführer rügt, er sei zu Unrecht nicht von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden (Rüge der Verletzung des § 73 Abs. 2 OWiG), genügt seine Rüge nicht den Anforderungen an die ordnungsgemäße Begründung der Verfahrensrüge gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Soll mit der Rechtsbeschwerde gegen ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG nämlich gerügt werden, dass der Betroffene zu Unrecht von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Vortrag, dass dem Verteidiger, der den Entpflichtungsantrag gestellt hat, eine schriftliche Vertretungsvollmacht erteilt und diese dem Gericht nachgewiesen war (OLG Köln, NZV 2002, 466 und NStZ 2002, 268). Die Rechtsfehlerhaftigkeit des Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG kann auch darauf beruhen, dass der Betroffene pflichtwidrig nicht von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden und aus diesem Grund zu Unrecht als säumig behandelt worden ist (OLG Köln, NStZ 2002, 268 und NZV 2002, 466, 468, je m.w.N.). Die Bestimmung des § 74 Abs. 2 OWiG ist verletzt, wenn dem Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung nicht entsprochen worden ist, obwohl die Voraussetzungen dafür gemäß § 73 Abs. 2 OWiG vorgelegen haben (OLG Köln, NStZ 2002, 268 und NZV 2002, 466, 468, je m.w.N.). Soll dies mit der Rechtsbeschwerde gerügt werden, so muss das Vorbringen auch insoweit wiederum den Anforderungen der § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG genügen. Es muss mithin so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen zutrifft. Erforderlich ist daher, dass der Rechtsbeschwerdebegründung entnommen werden kann, ob die Voraussetzungen für eine Entpflichtung vollständig vorgelegen haben (OLG Köln, NStZ 2002, 268, 269 und NZV 2002, 466, 468, je m.w.N.).
In formeller Hinsicht ist die Entbindung des Betroffenen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG davon abhängig, dass er einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Der Verteidiger bedarf zur Stellung des Entpflichtungsantrags einer - über die Verteidigervollmacht hinausgehenden - Vertretungsvollmacht (OLG Köln, NStZ 2002, 268, 269 und NZV 2002, 466, 468; BayObLG, NStZ-RR 2000, 247, je m.w.N.). Die fehlende Vertretungsvollmacht des Verteidigers lässt das Erfordernis der Antragsbescheidung vor Erlass des Verwerfungsurteils entfallen (OLG Köln, NStZ 2002, 268, 269; KK-OWiG-Senge, 3. Aufl. § 73 Rdnr. 19, vgl. auch BGH NJW 1974, 868, 869 m.w.N.). Soll mit der Rechtsbeschwerde gegen ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG gerügt werden, dass der Betroffene zu Unrecht nicht von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, muss deshalb zur ...