Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßregel. Entziehungsanstalt. Höchstfrist. Erfolg. Führungsaufsicht. Zweckerreichung
Leitsatz (amtlich)
1. Hat die Strafvollstreckungskammer einige Tage vor Erreichen der Maßregelhöchstfrist (§ 67d Abs. 1 StGB) entschieden, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit Erreichen der Höchstfrist erledigt ist, so ist es nach deren Erreichen (etwa im Beschwerderechtszug) nicht mehr möglich, eine Erledigung wegen Zweckerreichung analog § 67c Abs. 2 S. 5 StGB zu beschließen. Die Maßregel ist dann kraft Gesetzes erledigt.
2. Es bestehen Bedenken, im Falle einer Zweckerreichung der Maßregel nach § 64 StGB eine Erledigung analog § 67c Abs. 2 S. 5 StGB (mit der Folge, dass keine Führungsaufsicht eintritt) auszusprechen. Die richtige Rechtsfolge im Falle der Zweckerreichung ist die Maßregelaussetzung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 StGB.
Normenkette
StGB § 67d Abs. 1, 4-5, § 67c Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 15 StVK 787/22) |
LG Dortmund (Entscheidung vom 28.06.2017; Aktenzeichen 34 KLs 17/17) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (ausgenommen hiervon sind die Auslagen für das Gutachten vom 31.01.2023) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 28. Juni 2017 - Az. 34 KLs 17/17 wurde der Beschwerdeführer wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und der Vorwegvollzug von zehn Monaten Freiheitsstrafe, auf die Untersuchungshaft anzurechnen sei, angeordnet.
Nach dem Vorwegvollzug wurde die Maßregel ab dem 06. November 2017 in der LWL-Maßregelvollzugsklinik A vollstreckt. Die Maßregelhöchstfrist wurde auf den 16.10.2022 (Bl. 72) bzw. den 14.10.2022 (Bl. 753) notiert.
Die 15. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld hat mit Beschluss vom 24. Juni 2022 die Fortdauer dieser Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten hat der Senat diesen Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückgewiesen, weil der Sachverständige nicht mündlich angehört worden war.
In ihrem im Auftrag der Strafvollstreckungskammer erstatteten schriftlichen Sachverständigengutachten vom 21.05.2022 hatte die Sachverständige B dem Verurteilten einen positiven Behandlungsverlauf bescheinigt, u.a. unter Hinweis auf eine seit Oktober 2018, auch in der Langzeitbeurlaubung stabile Abstinenz.
Während die Maßregelvollzugseinrichtung in ihrer Stellungnahme vom 02.03.2022 dem Verurteilten noch einen positiven Behandlungsverlauf und eine günstige Prognose bescheinigte nahm sie diese Einschätzung mit Stellungnahme vom 20.06.2022, nachdem der Verurteilte ohne Mitteilung an die Einrichtung einen Arbeitsplatzwechsel und einen Wechsel seines dauerhaften Aufenthaltsortes vorgenommen haben soll, sowie mit Stellungnahme vom 07.09.2022, nachdem der Verurteilte am 25.08.2022 mit gefälschten bulgarischen Ausweispapieren und ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein in einer Verkehrskontrolle aufgefallen war, zurück.
In einer vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme führt die Sachverständige aus, dass der Verurteilte von seinem Hang i.S.d. § 64 StGB geheilt sei. Im Hinblick auf eine dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung bestehe aber ein "Restrisiko" für andere, nicht hangbedingte Taten, zu denen auch die Tat vom 25.08.2022 gerechnet werden könne.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgericht Bielefeld die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit Erreichen der Höchstfrist für erledigt erklärt, die Entlassung aus der Unterbringung am 16. Oktober 2022 angeordnet, die Aussetzung der Vollstreckung des noch nicht als verbüßt geltenden Restes der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 28. Juni 2017 zur Bewährung abgelehnt, den Eintritt der Führungsaufsicht festgestellt, die Dauer der Führungsaufsicht auf vier Jahre festgesetzt, den Verurteilten der Aufsicht und Leitung der für seinen Wohnort zuständigen Bewährungshilfe unterstellt und festgestellt, dass der Beschwerdeführer kraft Gesetzes der Aufsichtsstelle des für seinen Wohnort zuständigen Landgerichts untersteht, ihm im Rahmen der Führungsaufsicht nähere Weisungen erteilt, weitere Weisungen vorbehalten, die Belehrungen dem Leiter der Maßregelvollzugs- bzw. Justizvollzugsanstalt übertragen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Betroffenen auferlegt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die "sofortige Beschwerde und (einfache) Beschwerde" des Verurteilten vom 14. Oktober 2022, die er mit weiterem Schreiben seines Verteidigers am 22. November 2022 begründet hat.
Der Verurteilte wurde am 14. Oktober 2022 zur Verbüßung der Restfreiheitsstrafe in die Justizvollzugsanstalt C verlegt.
Die Generalstaatsanwaltsc...