Leitsatz (amtlich)
Zu der Frage, ob die Fahrbahn einer Straße in einem städtischen Wohngebiet zum Schutz querender Fußgänger bei winterlichen Verhältnissen geräumt und gestreut werden muss.
Normenkette
BGB § 839 i.V.m; GG Art. 34; StrReinG NW § 1; StrWG NRW §§ 9, 9a, 47
Tenor
Der Senat weist nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.
Der Klägerin steht kein Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG, § 9 Abs. 3, 9a, 47 StrWG NRW i.V.m. § 1 Abs. 2 StrReinG NRW zu.
Eine Amtspflichtverletzung der Beklagten in Form einer Verkehrssicherungspflichtverletzung liegt auch dann nicht vor, wenn man ihre Unfallschilderung als zutreffend unterstellt. An der hier fraglichen Unfallstelle hat jedenfalls eine Räum- und Streupflicht der Beklagten nicht bestanden.
1. Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich nach der vom Landgericht zutreffend beschriebenen ständigen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil kann verwiesen werden.
Die für die Sicherung des Fahrbahnverkehrs aufgestellten Erfordernisse (Verkehrsbedeutung und Gefährlichkeit des Fahrbahnbereiches) gelten indes nicht für den Schutz des die Fahrbahn überquerenden Fußgängerverkehrs (OLG Hamm, Urteil vom 10.10.1995, 9 U 94/95, juris). Vielmehr hat die Rechtsprechung die Pflicht zur Sicherung der Fußgänger dahin konkretisiert, dass außer auf Gehwegen, soweit auf ihnen nicht nur ein unbedeutender Verkehr stattfindet, auf den besonders gekennzeichneten Übergängen (§ 26 StVO: Zeichen 293 der Anl. 2 zu § 41 Abs. 1 StVO - "Zebrastreifen") und auf sonstigen Fußgängerüberwegen gestreut werden muss, soweit diese belebt und unentbehrlich sind (BGH, Urteil vom 20.12.1990, III ZR 21/90, VersR 1991, S. 665; BGH, Beschluss vom 20.10.1994, III ZR 60/94, juris). Belebt und unentbehrlich im vorgenannten Sinne sind grundsätzlich solche Passagen, an denen eine Fahrbahnüberquerung mangels anderer Möglichkeiten stattfinden muss und ständig erheblicher Fußgängerverkehr herrscht (OLG Hamm, Urteil vom 10.10.1994, 9 U 94/95, juris, m.w.N.).
2. Legt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist eine Räum- und Streupflicht der Beklagten an der Unfallstelle nicht gegeben.
a) Der behauptete Sturz der Klägerin ist nicht auf einem Gehweg geschehen. Die Frage, ob und von wem der in der W.-straße vorhandene Gehweg gestreut werden muss, kann insofern offen bleiben.
b) Die behauptete Sturzstelle auf der Fahrbahn musste zudem nach den zuvor dargestellten Grundsätzen von der Beklagten aufgrund eines in dem Bereich stattfindenden Fußgängerverkehrs nicht geräumt oder gestreut werden, da dort ein regelmäßiger Fußgängerverkehr nicht stattfindet.
Bei der W.-straße handelt es sich um eine reine Wohnstraße. Verkehrsträchtige Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Supermärkte oder Veranstaltungshallen befinden sich nicht in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle, so dass sich der Fußgängerverkehr hier im Wesentlichen auf die Anwohner beschränkt. Dies gilt auch angesichts des von der Klägerin angeführten Friedhofs, der evangelischen Kirche und des dazu gehörenden Kindergartens. Der Friedhof beginnt nach den im Internet zugänglichen Straßenplänen und Fotostrecken bei google-maps erst hinter dem Haus Nr. 14. Es ist weder vorgetragen noch sonst nachvollziehbar, dass Friedhofbesucher gerade an der Stelle, an der die Klägerin gestürzt ist, regelmäßig die Straße überqueren, zumal einige offenbar für Friedhofbenutzer vorgesehene Parkplätze erst am vom Wohnhaus der Klägerin entfernten Ende des Friedhofs vorhanden sind. Darüber fehlt ohnehin jeder Grund für die Ann...