Entscheidungsstichwort (Thema)
Identitätsfeststellung durch Übersendung einer Passkopie durch die Ausländerbehörde, Beweiserhebungsverbot, Beweisverwertungsverbot, Protokollierung der Verlesung von Urkunden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bußgeldbehörde kann nach § 16b StPO die Kopie eines ausländischen Passes von der Ausländerbehörde anfordern, wenn dies zur Identifizierung des Betroffenen erforderlich ist. Die Ausländerbehörde kann die Übermittlung auf der Grundlage der §§ 13, 14 DSG vornehmen.
2. Die Protokollierung, ein Schriftstück sei "zum Gegenstand der Hauptverhandlung" gemacht worden, beweist regelmäßig nicht dessen Verlesung.
Normenkette
StPO §§ 163b, 273-274; DSG NW § 13; DSG NW § 14; PersonalausweisG § 2b; PassG § 22
Verfahrensgang
AG Minden (Aktenzeichen 15 OWi 808/07) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 150 Euro verurteilt und gleichzeitig gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat - unter Gewährung der sog. "Viermonatsfrist" - verhängt.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen befuhr der Betroffene mit einem PKW am 12.07.2007 gegen 12.55 Uhr die BAB 2 in C in Fahrtrichtung I. Seine Fahrgeschwindigkeit betrug 174 km/h (Messung: 180 km/h abzgl. 6 km/h Toleranz), die zulässige Höchstgeschwindigkeit war dort indes durch mehrfach beiderseits aufgestellte Verkehrsschilder auf 120 km/h begrenzt.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er erhebt Verfahrensrügen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1.
Das Verfahrenshindernis der Verjährung ist allerdings nicht eingetreten. Die Tat ereignete sich am 12.07.2007. Durch Übersendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen am 30.07.2007 wurde sie gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen. Die nächste Unterbrechung erfolgte am 07.09.2007 durch Erlass des Bußgeldbescheides, der dem amtlich bestellten Vertreter der Verteidigerin des Betroffenen am 12.09.2007 zugestellt wurde (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG). Das Empfangsbekenntnis ist zwar im Adressfeld mit "Herrn Y über Anwaltskanzlei C3, U und T" beschrieben. Unterzeichnet wurde es jedoch von dem amtlich bestellten Vertreter der gewählten, ausdrücklich auch mit einer Zustellvollmacht (welche sich bei den Akten befand) versehenen Verteidigerin, Herrn Rechtsanwalt C3. Damit ist die Zustellung gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 145a StPO wirksam. Die nächste Verjährungsunterbrechung erfolgte am 31.10.2007 durch Eingang der Akten beim Gericht (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG). Am 11.01.2008 wurde ein Hauptverhandlungstermin anberaumt, was die Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 11 unterbrach. Wegen Verhinderung des Betroffenen wurde der anberaumte Hauptverhandlungstermin aufgehoben und neuer Termin am 05.05.2008 anberaumt, was die Verjährung erneut unterbrach. Die Beauftragung eines Sachverständigen am 15.10.2008 unterbrach die Verjährung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 3 OWG erneut. Schließlich wurde sie durch Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins am 15.01.2009 wirksam unterbrochen. Vor Erreichen des Zeitpunkts nach § 33 Abs. 3 S. 2 OWiG ist das erstinstanzliche Urteil ergangen, so dass nunmehr die Verjährungsfrist nach § 32 Abs. 2 OWiG nicht weiter läuft.
2.
Die Rechtsbeschwerde hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
a) Die Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 46 Abs. 1 OWiG, 161 StPO, 3 Abs. 3 BDSG, 3 Abs. 2 DSG NW ist zwar nicht begründet.
aa) Mit der Rüge macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass - nachdem der Betroffene auf den Anhörungsbogen nicht reagiert hatte - die Bußgeldbehörde die Meldebehörde der Stadt N um Übersendung einer Fotokopie des Personalausweises bzw. Reisepasses, auf dem das Lichtbild des Betroffenen zu erkennen ist, gebeten hatte. Da der Betroffene Grieche sei, habe die Ausländerbehörde der Stadt N sodann eine Kopie des Lichtbildes aus dem griechischen Pass des Betroffenen an die Bußgeldbehörde übersandt. Die Rechtsbeschwerde sieht darin eine rechtswidrige Datenübermittlung, da die eine entsprechende Datenübermittlung gestattenden Vorschriften des PersonalausweisG und des PassG hier nicht einschlägig seien und damit für die Übermittlung der Passkopie eine Rechtsgrundlage gefehlt habe. Das Beweiserhebungsverbot führe zu einem Beweisverwertungsverbot.
bb) Die Rüge ist unbegründet. Die Datenerhebung und -übermittlung - Übersendung einer Kopie aus dem griechischen Reisepass des Betroffenen von der Ausländerbehörde an die Bußgeldbehörde - war nicht rechtswidrig.
Zutreffend ist zwar, dass die Übermittlung ihren Rechtsgrund nicht in § 22 PassG oder § 2b PersonalausweisG hat. Denn nach diesen Vorschriften dürfen nur Daten aus dem Personalausweis- bzw. Passregister an andere Behörden übermittelt werden. Hierum handelt es sich bei der ...