Leitsatz (amtlich)
Zum Konkurrenzverhältnis zweier im Minutentakt während einer Fahrt auf derselben Autobahn begangener Geschwindigkeitsüberschreitungen.
Verfahrensgang
AG Essen (Aktenzeichen 56 OWi 91 Js 509/07 OWi-175/07) |
Tenor
1.
Die Sache wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
2.
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 140,00 EUR verurteilt und ihm unter Einräumung der 4-Monats-Frist gem. § 25 Abs. 2 a StVG für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Am 03.09.2006 befuhr der Betroffene gegen 23.33 Uhr die BAB ## in Fahrtrichtung C in Höhe T-Straße mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ## - ## ## mit einer Geschwindigkeit von 141 km/h, obgleich die zulässige Höchstgeschwindigkeit in dem Bereich gemäß der Beschilderung (Zeichen 274) lediglich 100 km/h betrug.
Als der Betroffene bemerkte, dass er geblitzt worden war, reduzierte er seine Geschwindigkeit auf die vorgegebenen 100 km/h. Nach Reduzierung der Geschwindigkeit passierte er um 23.34 Uhr den Bereich Anschlussstelle H. Hier fuhr der Betroffene weiterhin 97 km/h, obgleich die Geschwindigkeit in dem Bereich der Anschlussstelle H auf 80 km/h begrenzt war.
Wegen des Geschwindigkeitsverstoßes im Bereich der Anschlussstelle H ist der Betroffene durch das Ordnungsamt der Stadt F am 29.09.2006 verwarnt worden. Das Verwarngeld ist durch den Betroffenen bezahlt worden."
In der rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht u. a. ausgeführt, dass der Ahndung der Ordnungswidrigkeit nicht entgegenstehe, dass hinsichtlich des weiteren Verstoßes im Bereich der Anschlussstelle H bereits ein Verwarnungsgeld verhängt worden sei. Die Verkehrsverstöße stünden in Tatmehrheit; der Betroffene habe seine Geschwindigkeit auf die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit reduziert, nachdem er durch die "Blitzanlage" auf sein Fehlverhalten aufmerksam geworden sei. Die weitere Geschwindigkeitsüberschreitung beruhe auf einer neuerlichen Fehlleistung des Betroffenen. Ein Verfahrenshindernis bestehe nicht. Der Grundsatz "ne bis in idem" finde auf die Verwarnung keine Anwendung. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Betroffenen, dass durch ein Verwarnungsgeld hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung von 17 km/h durch die Verwaltungsbehörde auch der wesentlich schwerwiegendere Geschwindigkeitsverstoß von 41 km/h erledigt werden sollte, sei nicht geschaffen worden.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die er unter näheren Ausführungen mit der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Sache war dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen, weil es geboten erscheint, die Nachprüfung des Urteils zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, § 80 a Abs. 3 S. 1 OWiG. Die Übertragung auf den Senat ist eine Entscheidung der Einzelrichterin des Senats, Richterin am Oberlandesgericht X.
III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. §§ 41 Abs. 2, 49 StVO (Zeichen 274) sowohl zur äußeren wie zur inneren Tatseite.
Zu Recht führt das Amtsgericht aus, dass ein Verfahrenshindernis aufgrund der anderweitigen Verfolgung des unmittelbar anschließenden weiteren Geschwindigkeitsverstoßes nicht besteht.
In Rechtsprechung und Lehre besteht Einigkeit darüber, dass es sich bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen auch im Verlaufe einer Fahrt regelmäßig um mehrere Taten im materiellen und prozessualen Sinne handelt (vgl. OLG Hamm VM 2007, 14; OLG Brandenburg NZV 2006, 109, BayObLG NZV 1995, 407; 1994, 448; OLG Köln NZV 1994, 292; OLG Düsseldorf NZV 2001, 273; 1994, 118). Der Umstand, dass die mehreren Verstöße während der selben Fahrt begangen wurden, ändert nichts daran, dass das Fahren als solches keine rechtliche Klammer zu den einzelnen Verhaltensweisen im Straßenverkehr bildet. Eine einzige Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit ist dagegen lediglich dann anzunehmen, wenn strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitenrechtlich erhebliche Verhaltensweisen durch einen derart unmittelbaren zeitlich-räumlichen und inneren Zusammenhang gekennzeichnet sind, dass sich der gesamte Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen unbeteiligten Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun darstellt (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Köln a.a.O.).
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