Verfahrensgang
AG Lemgo (Entscheidung vom 21.04.2010; Aktenzeichen 22 Ds 36 Js 3353/09 (AK 44/10)) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Maßregelausspruch aufgehoben.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Angeklagte.
Die Revisionsgebühr wird jedoch um 15 % ermäßigt. In diesem Umfang trägt auch die Staatskasse die der Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Die Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Lemgo vom 21.04.2010 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,00 € verurteilt worden. Außerdem wurde ihr die Fahrerlaubnis entzogen, ihr Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von noch sieben Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Nach den Urteilsfeststellungen stieß die Angeklagte am Tattag mit dem von ihr geführten PKW rückwärts aus einer Einfahrt fahrend gegen den hinteren linken Kotflügel des PKW Ford des Herbert Sauerländer. Der Kotflügel wurde hierdurch beschädigt. Die Angeklagte entfernte sich mit ihrem Fahrzeug von der Unfallstelle, ohne zuvor die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, obwohl sie den Unfall bemerkt hatte. Nach dem von dem Amtsgericht herangezogenen Sachverständigengutachten belaufen sich die Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug auf 2.647,40 € einschließlich Mehrwertsteuer, beträgt der Wiederbeschaffungswert 1.150,- € und hat das beschädigte Fahrzeug einen Restwert von 50,- €-
Den Maßregelausspruch hat das Amtsgericht u.a. wie folgt begründet:
"Nach Ansicht des Gerichts stellt § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB seinem Wortlaut nach auf den bedeutenden Schaden an fremden Sachen ab. Damit sind die üblichen Reparaturkosten gemeint. Nach Ansicht des Gerichts sind unter dem Begriff "Schaden" auch dann die Reparaturkosten zu verstehen, wenn der Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert geringer ist als die Reparaturkosten. Im Gegensatz zu § 315 c StGB stellt § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auf den Begriff des Schadens ab und nicht wie in § 59 c StGB auf den Verkehrswert der gefährdeten Sache. Die Auslegung des Wortlauts und die Auslegung aus der Gesetzessystematik ergeben daher, dass "Schaden" i.S.d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB den Wiederherstellungsaufwand bedeutet. Daher liegt nach Ansicht des Gerichts auch in diesem Fall ein Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vor. Eine Sperrfrist von noch sieben Monaten war unter Berücksichtigung der bisher verstrichenen Zeit seit Beschlussfassung angemessen."
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
II.
Die Revision ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des Maßregelausspruches des angefochtenen Urteils. Im Übrigen erweist sich die Revision als unbegründet.
1.
Die auf die erhobene Sachrüge vorzunehmende materiell-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils hat sowohl hinsichtlich des Schuldausspruches als auch in Bezug auf den Strafausspruch Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten nicht ergeben. Insoweit war daher die Revision entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
2.
Die Entscheidung des Amtsgerichts über die Entziehung der Fahrerlaubnis der Angeklagten und die Einziehung des Führerscheins sowie die Anordnung einer Sperre von noch sieben Monaten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis halten dagegen einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme eines bedeutenden Schadens im i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB.
Gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB besteht die Vermutung der mangelnden Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges bei einem Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort , wie es hier der Angeklagten zur Last gelegt wird, nur dann, wenn bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht nur unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen ein bedeutender Schaden entstanden ist, und der Täter von den Unfallfolgen bei der Tatbegehung wusste oder wissen konnte, d.h. sie vorwerfbar nicht kannte (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 69 Rdnr. 27). Ob ein bedeutender Schaden vorliegt, bemisst sich nach wirtschaftlichen Kriterien und beurteilt sich auf jedenfalls nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 12.05.2005 - 2 Ss 278/05 - BeckRS 2005, 06462 - m.w.N.; OLG Naumburg NZV 1996, 204; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.12.1995 - 2 Ss 366/95 - www.[...].de; König in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 69 Rdnr. 17). Die Grenze, wann von einem erheblichen Sachschaden im vorgenannten Sinne auszugehen ist, ist derzeit bei etwa 1.300,- € anzusetzen (vgl. Urteil des Senats vom 13.12.2006 - 3 Ss 473/06 -; Fischer, a.a.O., § 142 Rdnr. 64; OLG Hamburg, Beschluss vom 08.03.2007 - 2 Ws 43/07 - BeckRS 2007, 11906; Himmelreich, Halm NStZ 2008, 382, 384 m.w.N.).
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