Leitsatz (amtlich)
Das Erstgericht hat im Abhilfeverfahren (§ 572 Abs. 1 ZPO) vorgelegte Unterlagen auch nach Ablauf einer dem Beteiligten zur Einreichung gesetzten Frist zu berücksichtigen, bevor es die Sache dem Beschwerdegericht vorlegt, weil es Zweck des Abhilfeverfahrens ist, die kostenverursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache zu vermeiden, wenn gebotene Korrekturen der Erstentscheidung unschwer durch das Erstgericht selbst vorgenommen werden können. Bei einer derartigen Frist handelt es sich nicht um eine Ausschlussfrist (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 18.11.2003 - 5 AZB 46/03 -, FamRZ 2004, 623).
Verfahrensgang
AG Dorsten (Aktenzeichen 12 F 309/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dorsten vom 10.06.2020 (Az. 12 F 309/16) aufgehoben.
Gründe
Die gem. § 76 Abs. 2 bzw. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache Erfolg.
I. Gem. § 76 Abs. 1 bzw. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aufgehoben werden, wenn eine Erklärung nach § 120 a Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht abgegeben wird, d. h. wenn ein Beteiligter der Aufforderung des Gerichts, sich darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, nicht oder nur ungenügend nachkommt.
1. Der Antragsteller hat auf die ursprüngliche Aufforderung des Familiengerichts vom 03.04.2019 trotz Erinnerungen vom 17.06. und 21.11.2019 nur unzureichend reagiert und die mit der Verfügung vom 17.06.2019 angeforderten Unterlagen nicht eingereicht. Das Familiengericht hat daraufhin zu Recht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 10.06.2020 die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aufgehoben.
2. Gleichwohl kann die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung im Ergebnis keinen Bestand haben, weil der Antragsteller nunmehr im Beschwerdeverfahren - was gem. § 76 Abs. 2 bzw. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig ist (vgl. nur OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28.10.2010 - 6 WF 101/10 -, FamRZ 2011, 662, Tz. 2, zit. nach juris; Zöller/Schultzky, 33. Aufl. 2020, § 124 ZPO, Rdnr. 14, jew. mwN.) - unter dem 12.08.2020 die angeforderten Belege zur Akte gereicht hat.
Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen kann nunmehr eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse i. S. v. § 120 a Abs. 1 Satz 1 ZPO wesentlich geändert haben, und ob bzw. inwieweit ihm Zahlungen auf die Verfahrenskosten aufzuerlegen sind. Hierüber hat das Familiengericht bislang nicht entschieden, so dass auch der Senat über diese Frage nicht zu befinden hat. Für die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung ist allerdings kein Raum mehr. Demzufolge kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben (vgl. OLG Saarbrücken, aaO., Tz. 3-5, zit. nach juris).
3. Soweit das Familiengericht der sofortigen Beschwerde des Antragstellers mit der Begründung nicht abgeholfen hat, eine Beschwerdebegründung sei - in Form der unter dem 12.08.2020 eingereichten Unterlagen - erst mit Ablauf der dem Antragsteller mit Schreiben vom 10. und 21.07.2020 gesetzten Fristen eingegangen und könne daher im Abhilfeverfahren keine Berücksichtigung mehr finden, trifft dies nicht zu und wird auch nicht durch die im Nichtabhilfebeschluss vom 26.08.2020 zitierten Fundstellen belegt.
a) Es ist vielmehr Zweck des Abhilfeverfahrens, die kostenverursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache zu vermeiden, wenn gebotene Korrekturen der Erstentscheidung unschwer durch das Erstgericht selbst vorgenommen werden können (vgl. Zöller/Heßler, aaO., § 572 ZPO, Rdnr. 7).
b) Überdies handelt es sind bei den erstinstanzlich von der Rechtspflegerin gesetzten Fristen zur Vorlage der Erklärung über die aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. entsprechender Belege zu den Einkünften oder Belastungen nicht um Ausschlussfristen. Der Sinn der Fristen besteht vielmehr darin, dass erforderliche Erklärungen und Nachweise binnen angemessener Zeit beschafft werden. Ein endgültiger Rechtsverlust ist mit der Versäumung der Fristen hingegen nicht verbunden. Auch die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfebewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist - bis zur Bestandskraft der Entscheidung - nicht in diesem Sinne endgültig. Sie dient nicht der Sanktionierung der Fristversäumung, sondern des Ausbleibens der geforderten Erklärung (vgl. BAG, Beschluss vom 18.11.2003 - 5 AZB 46/03 -, FamRZ 2004, 623, Tz. 11 sowie Senatsbeschluss vom 25.04.2014 - 2 WF 44/14 -, Tz. 15 mwN., MDR 2014, 798, zit. nach juris).
II. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 76 Abs. 2 bzw. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 127 Abs. 4 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 14207069 |
JurBüro 2021, 51 |