Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gem. § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG.
2. Die Bindungswirkung einer Verweisung an die Kammer für Handelssachen gem. § 102 S. 2 GVG wird nach den Grundsätzen beurteilt, die zur Verweisung gem. § 281 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind.
3. Eine Verweisung kann entgegen § 102 S. 2 GVG ausnahmsweise keine Bindungswirkung entfalten, wenn die zuständige Zivilkammer unter Übergehung einer eindeutigen Zuständigkeitsvorschrift den Rechtsstreit an die Kammer für Handelssachen verweist, ohne sich mit den damit zusammenhängenden Rechtsfragen im Beschluss auseinanderzusetzen, obwohl diese von einer Partei angesprochen worden sind.
Normenkette
GVG §§ 95, 102; ZPO § 36
Tenor
Als zuständig wird die Zivilkammer des LG I bestimmt.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagte mit ihrer bei der Zivilkammer des LG I erhobenen Klage auf Unterlassung unaufgeforderter Werbung per Telefax sowie auf Zahlung außergerichtlicher Kosten nebst Zinsen in Anspruch. Zwischen den Parteien besteht kein wettbewerbsrechtliches Konkurrenzverhältnis.
Mit Verfügung vom 16.9.2013 hat die Zivilkammer des LG I die Parteien darauf hingewiesen, dass der Rechtsstreit eine Handelssache gem. § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG sei. Auf diesen Hinweis hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.10.2013 erwidert, dass mangels wettbewerblichen Konkurrenzverhältnisses zwischen den Parteien keine Handelssache vorliege, so dass Anspruchsgrundlage für den Unterlassungsanspruch die §§ 823, 1004 BGB seien. Das UWG sei nur entsprechend anwendbar, weshalb keine Handelssache vorliege.
Nach Anhörung der Parteien hat die Zivilkammer des LG I mit Beschluss vom 29.11.2013 den Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten an das LG I - Kammer für Handelssachen - verwiesen. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich um eine Handelssache i.S.v. § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG. Nach herrschender Meinung sei der Begriff "aufgrund eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb" in § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG weit auszulegen. Die vorliegende Klage behandele in der Sache einen Anspruch, der nach § 1 UWG zu beurteilen sei. Lediglich die äußere Anspruchsgrundlage dürfte aus dem allgemeinen Zivilrecht stammen. Daher hätte sich die Zurückweisung des Verweisungsantrags der Beklagten in einer nicht zumutbaren bloßen Förmelei erschöpft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Beschluss der Zivilkammer des LG I vom 29.11.2013.
Mit Beschluss vom 19.12.2013 hat die Kammer für Handelssachen die Übernahme der Sache abgelehnt und sie dem OLG Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Kammer für Handelssachen im Wesentlichen ausgeführt, die Übernahme der verwiesenen Sache sei abzulehnen gewesen, da nach dem für die Zuständigkeitsfrage maßgeblichen Sachvortrag der Klägerin schon mangels Vorliegen eines wettbewerbsrechtlichen Konkurrenzverhältnisses und damit einer entsprechenden Anspruchsberechtigung i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ersichtlich Ansprüche "aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb" i.S.v. § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG ausschieden und allein Ansprüche nach §§ 823, 1004 BGB in Betracht kämen, die als rein deliktische zivilrechtliche Abwehransprüche auch bei weitester Auslegung nicht dem Zuständigkeitskatalog des § 95 GVG unterfielen. Die 8. Zivilkammer setze sich mit ihrer ohnehin widersprüchlichen Begründung nicht nur evident über den Wortlaut des § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG hinweg, sondern verkenne zudem, dass das Gesetz eine Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen "kraft Sachzusammenhangs" nicht kenne, der Gesetzgeber vielmehr gem. Art. 101 GG i.V.m. § 95 GVG nur für bestimmte, klar umrissener Sachverhalte und Parteikonstellationen enumerativ und abschließend eine funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen bestimmt habe. Vor diesem Hintergrund gehe es nicht an, eine funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen über die in § 95 GVG abschließend aufgeführten Sachverhalte auf Fälle auszudehnen, in denen die Klägerin - wie hier - eindeutig, unmissverständlich und ausschließlich allgemeine deliktische Ansprüche nach §§ 823, 1004 BGB geltend mache, die der Gesetzgeber bewusst nicht in den Zuständigkeitskatalog des § 95 GVG aufgenommen habe, weshalb der Verweisungsbeschluss der 8. Zivilkammer auch mit Blick auf die höherrangige Vorschrift des Art. 101 GG, der insoweit der Vorschrift des § 281 ZPO vorgehe, keine Bindungswirkung beanspruchen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gründe des Beschlusses der Kammer für Handelssachen vom 19.12.2013.
B. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
I. Bei dem negativen Kompetenzkonflikt zwischen einer Kammer für Handelssachen und einer Zivilkammer desselben Gerichts ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anzuwenden (KG NJW-RR 2008, 1023, 1024; Zöller/...