Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung des Sachverständigen …
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Beschluss vom 01.03.1995; Aktenzeichen 11 OH 1/94) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin vom 27. Januar 1995 an das Landgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.
Tatbestand
I.
Das Landgericht Bielefeld hat im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens durch Beschluß vom 19. April 1994 antragsgemäß angeordnet, daß der Sachverständige … ein schriftliches Gutachten zu der Frage erstatten soll, ob die von der Antragsgegnerin gelieferte Putenhähne-Zerlegeanlage ZM 3 in der Lage ist, pro Stunde 475 Putenhähne in einwandfreier Schnittqualität in Hälften zu zerlegen. Das schriftliche Gutachten vom 28. Oktober 1994 ist den Bevollmächtigten der Antragsgegnerin am 21. November 1994 zugegangen. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 1994 haben sie angekündigt, eventuelle Einwendungen bis Ende Januar 1995 mitzuteilen. Mit Schriftsatz vom 27. Januar 1995 hat die Antragsgegnerin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch als unzulässig zurückgewiesen, weil die Ablehnung eines Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren nicht statthaft sei. Mit der sofortigen Beschwerde gegen diesen Beschluß erstrebt die Antragsgegnerin eine inhaltliche Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch.
Entscheidungsgründe
II.
Die gem. §§ 485 ff, 406 Abs. 5, 577 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 575 ZPO).
1.
Die Ablehnung eines Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren ist grundsätzlich zulässig. Der Senat hat zwar in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, daß die Ablehnung eines im Beweissicherungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen nicht in diesem Verfahren, sondern erst im anschließenden Verfahren zur Hauptsache zulässig ist (vgl. etwa Beschluß vom 4. Februar 1988 – 1 W 3/88 – in ZMR 1990, 216). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat jedoch für das mit Wirkung vom 1. April 1991 neu gestaltete selbständige Beweisverfahren nicht länger fest.
Der Gesetzgeber hatte das Beweissicherungsverfahren alten Rechts bewußt einseitig ausgestaltet. Das Gericht mußte den vom Antragsteller benannten Sachverständigen selbst dann beauftragen, wenn es diesen für fachlich ungeeignet oder gar parteilich hielt. Das Interesse des Antragstellers an einer beschleunigten Beweisaufnahme hatte unbedingten Vorrang, auch auf die Gefahr hin, daß das Gutachten des einseitig vom Antragsteller benannten Sachverständigen im späteren Hauptprozeß unverwertbar sein sollte. Im Vordergrund stand der Sicherungszweck. Mit diesem Zweck hielt der Senat die Möglichkeit der Ablehnung eines im Beweissicherungsverfahren benannten Sachverständigen nicht für vereinbar.
Das neugestaltete selbständige Beweisverfahren weist demgegenüber grundlegende Änderungen auf. Zwar ist das Sicherungsverfahren herkömmlicher Art für den Beweis durch Augenschein, Zeugen und Sachverständige grundsätzlich erhalten geblieben, wie sich aus § 485 Abs. 1 ZPO ergibt. Daneben eröffnet jetzt aber § 485 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit einer schriftlichen Begutachtung durch einen Sachverständigen ohne die engen Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO. Die Neuregelung zielt darauf ab, Streitigkeiten über Tatsachen einem möglichen Prozeß vorzuverlagern, um auf der Grundlage des im selbständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachtens eine gütliche Beilegung des Streits zu ermöglichen. Falls sich ein Rechtsstreit nicht vermeiden läßt, soll wenigstens durch die Verwertung des Beweisergebnisses eine nochmalige Beweisaufnahme im Hauptprozeß weitestgehend ausgeschlossen werden (vgl. hierzu BT-Dr. 11/3621, S. 23 ff.; Quack, BauR 1991, 278, 279, 281). Im Einklang mit dieser Zielsetzung erfolgt die Auswahl und Benennung des Sachverständigen nunmehr durch das Gericht (vgl. §§ 487 Nr. 3, 492 Abs. 1, 404 ZPO; Ingenstau-Korbion, VOB, 12. Aufl. B § 18 Rdnr. 94 m.w.N.). Die damit verbundene Aufwertung des selbständigen Beweisverfahrens gebietet es nunmehr, die Ablehnung des Sachverständigen zuzulassen. Wenn mit dem selbständigen Beweisverfahren ein Hauptsacheverfahren vermieden oder doch zumindest eine nochmalige Beweisaufnahme ersetzt werden soll, dürfen in der Praxis bedeutsame Einwendungen nicht auf das Hauptsacheverfahren beschränkt bleiben, weil sonst gerade deshalb der Weg ins Hauptsacheverfahren bestritten werden müßte (vgl. hierzu Booz, BauR 1989, 30, 38).
Die bereits für das alte Beweissicherungsverfahren umstrittene Frage, ob dem Antragsgegner ein Ablehnungsrecht wegen Besorgnis der Befangenheit zusteht (vgl. hierzu Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 7. Aufl. Rdnr. 52 m.w.N.), hat der Gesetzgeber bei der Neufassung der §§ 485 ff. ZPO nicht ausdrücklich beantwortet. D...