Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 3 O 489/20)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme, auch dazu, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird, innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung.

 

Gründe

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Zu Recht und mit zutreffenden Gründen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Angriffe der Berufung tragen nicht.

1. Maßgeblich ist hier die - für die Klägerin günstigere - Widerspruchsbelehrung im Policenbegleitschreiben.

Auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ersichtlich musste sich die Beklagte an dieser festhalten lassen. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil unter I 1 c (LGU Seite 6) wird Bezug genommen.

2. Entgegen der Annahme der Berufung ist die Belehrung inhaltlich korrekt (vgl. auch die Nachweise auf Seiten 9 ff. der Klageerwiderung).

Dass die Widerspruchsbelehrung die "unten aufgeführten Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen" als fristauslösende Unterlagen benennt, ohne die diesen zugrunde liegende gesetzliche Bestimmung des § 10a VAG a.F. zu zitieren und gesondert auf die Selbstverständlichkeit hinzuweisen, dass diese "vollständig" sein müssen, macht sie inhaltlich nicht unzutreffend. Entscheidend ist, dass der Versicherungsnehmer erkennt, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit der Lauf der Frist beginnt (s. Senatsbeschluss vom 9. April 2021 - 20 U 40/21). Diese Information erhält der Versicherungsnehmer bereits dadurch, dass ihm in der Belehrung mitgeteilt wird, dass der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheines, der Versicherungsbedingungen und der maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen gilt, und diese Unterlagen auch die Verbraucherinformationen enthielten (vgl. zur Verwendung des Begriffs "Beilagen" BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 - IV ZR 28/16, BeckRS 2016, 16407 Rn. 8; s. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 5. September 2019 - 9 U 66/17, VersR 2020, 148 = NJW-RR 2020, 21 Rn. 17).

Einer Benennung der gesetzlichen Grundlage bedurfte es insoweit nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2018 - IV ZR 201/16, r+s 2018, 363 Rn. 17).

Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass aus der Belehrung deutlich werden muss, welche Unterlagen dem Versicherungsnehmer für den Fristbeginn im Einzelnen vorliegen müssen (BGH, Urteil vom 7. September 2016 - IV ZR 306/14, r+s 2016, 607), folgt daraus für den hier zu entscheidenden Einzelfall nichts anderes. Denn der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich die tatrichterliche Wertung gebilligt, wonach sich aus dem Gesamtzusammenhang hinreichend deutlich ergeben könne, auf welche Unterlagen es für den Fristbeginn ankommt (BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2016 - IV ZR 558/15, BeckRS 2016, 5209 Rn. 8; vom 30. Juni 2015 - IV ZR 16/14, BeckRS 2016, 16674 Rn. 8). Eben dies ist auch hier der Fall. Die im Policenbegleitschreiben verwendete Formulierung "unten aufgeführten Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen" bezieht sich ersichtlich auf sämtliche der ganz unten auf der Seite aufgezählten Anlagen. Für einen verständigen Versicherungsnehmer kann angesichts des klaren Verweises auf die "unten aufgeführten" Verbraucherinformationen nicht der Eindruck entstehen, der Versicherer wolle nur auf einzelne der als Anlagen aufgeführten Dokumente verweisen, die Bestandteil der gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformation im Sinne von § 10a VAG a.F. waren.

Die Klägerin hat auch mit ihrer Berufungsbegründung nicht dargelegt, welche Informationen konkret gefehlt haben sollen. Solche Mängel auch sonst nicht ersichtlich.

Zweifel darüber, welche Unterlagen für den Fristbeginn maßgeblich sind, können daher aus Sicht des Senats nicht aufkommen. Dass der Fristbeginn damit (auch) an den Zugang des Datenschutzmerkblattes anknüpft, dessen Aushändigung das Gesetz in § 10a VAG a.F. und der zugehörigen Anlage nicht vorschrieb, ist unschädlich (s. Senatsbeschluss vom 5. August 2020 - 20 U 88/20).

3. Jedenfalls aber kann sich die Klägerin auf ein Widerspruchsrecht nicht mit Erfolg berufen. Denn nicht nur nach dem Wortlaut des hier maßgeblichen nationalen Rechts (§ 5a VVG a.F.), sondern auch nach Unionsrecht ist ein solches ewiges Widerspruchsrecht im Streitfall zu verneinen.

Der Klägerin war bei der gegebenen Belehrung jedenfalls nicht die Möglichkeit genommen, ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender (oder - hier - ganz perfekter) Belehrung auszuüben. In einem solchen Fall ist es unionsrechtlich "unverhältnismäßig", ein ewiges Widerspruchsrecht anzunehmen (siehe EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 - C-355/1...

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