Leitsatz (amtlich)
1. Die auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlussfassung einer Kommanditgesellschaft gerichtete Klage kann zulässigerweise auch gegen die stimmrechtslose Komplementär-GmbH geführt werden, wenn die GmbH die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse vertritt.
2. Liegt ein wichtiger Grund für die Ausschließung eines Kommanditisten vor, muss die gesellschaftsvertraglich vorgesehene Beschlussfassung über den Ausschluss nicht unverzüglich erfolgen. Es kann ein anerkennenswertes Interesse der Mitgesellschafter bzw. der Gesellschaft bestehen, einen gewissen Zeitraum zuzuwarten. Zögern die Gesellschafter die Ausschließung jedoch über einen längeren Zeitraum ohne erkennbaren Grund hinaus, kann dies dafür sprechen, dass der Kündigungsgrund im Laufe der Zeit an Gewicht verloren hat und die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht unzumutbar ist.
3. Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Ausschließung eines Kommanditisten.
Normenkette
HGB §§ 133, 140, 161 Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 10 O 27/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 20.05.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung der A GmbH & Co. KG vom 15.06.2020, wonach als Abfindung für das Ausscheiden des Klägers aus der A GmbH & Co. KG der Buchwert seines Kapitalanteils zum 31.12.2019 gezahlt werden soll, nichtig ist.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der A GmbH & Co. KG vom 25.01.2022, durch den der Kläger als Kommanditist aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurde, nichtig ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger einerseits und die Beklagten als Gesamtschuldner andererseits je zur Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils für sie aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier Gesellschafterbeschlüsse über den Ausschluss des Klägers aus einer Kommanditgesellschaft und über dessen Abfindung.
Der Kläger und die Beklagten zu 1 und 2 waren Kommanditisten der 2017 gegründeten A GmbH & Co. KG (A KG). Komplementärin ist die Beklagte zu 3, deren Gesellschafter ebenfalls der Kläger und die Beklagten zu 1 und 2 sind. Die Beklagten zu 1 und 2 sind Geschäftsführer. Die Beklagte zu 3 hat auf Gesellschafterversammlungen kein Stimmrecht. Geschäftsgegenstand der A KG ist die Herstellung von Outdoor-Küchen.
Der Kläger ist zudem geschäftsführender Gesellschafter der B GmbH (B GmbH). Der Beklagte zu 1 wurde seit 2006 von dieser Gesellschaft beschäftigt, zuletzt als technischer Leiter in den Bereichen Produktion/Fertigung und IT-Software.
§ 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der A KG (Anlage LTS1) regelt den Ausschluss eines Gesellschafters:
"(1) Ein Gesellschafter kann von den übrigen Gesellschaftern mit der Mehrheit aller ihrer Stimmen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund im Sinne der §§ 140, 133 HGB vorliegt. Statt der Ausschließung kann die Verpflichtung des betroffenen Gesellschafters beschlossen werden, seinen Gesellschaftsanteil ganz oder teilweise auf eine im Beschluss zu benennende, zur Übernahme bereite Person zu übertragen. (...)"
§ 16 Abs. 2 bis 6 des Gesellschaftsvertrags enthält mehrere Regelungen zur Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters:
"(2) Der ausgeschiedene Gesellschafter erhält eine Abfindung für deren Höhe und Bezahlung gilt:
a) Maßgebend ist der Buchwert des Gesellschaftsanteils. Scheidet der Gesellschafter mit Ablauf eines Geschäftsjahres aus, so ist für den Buchwert seines Gesellschaftsanteils der auf diesen Zeitpunkt nach den Bestimmungen dieses Vertrages zu errichtende Jahresabschluss maßgebend. Fällt der Tag des Ausscheidens nicht auf das Ende eines Geschäftsjahres, so ist der Jahresabschluss maßgebend, der auf das Ende des dem Tag des Ausscheidens unmittelbar vorhergegangenen Geschäftsjahres nach den Bestimmungen dieses Vertrages zu erstellen ist. Können sich die verbleibenden Gesellschafter und der ausgeschiedene Gesellschafter nicht über die Höhe der Abfindungen einigen, so entscheidet hierüber abschließend ein Wirtschaftsprüfer, der vom Präsidenten der für die Gesellschaft zuständigen Industrie- und Handelskammer zu bestimmen ist.
b) Die Abfindung ist in fünf gleichen Jahresraten zu bezahlen. Die erste Rate wird sechs Monate nach dem Tag des Ausscheidens fällig. Steht zu diesem Zeitpunkt die Höhe der Abfindung noch nicht fest, so ist eine von der Gesellschaft zu bestimmende angemessene Abschlag...