Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstmalige Berufsausbildung des Unterhaltspflichtigen
Leitsatz (amtlich)
Hinter den Unterhaltsinteressen minderjähriger Kinder treten die Interessen des unterhaltspflichtigen Elternteils, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, grundsätzlich zurück. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Unterhaltspflichtige erstmals eine abgeschlossene Berufsausbildung erlangen will.
Normenkette
BGB §§ 1601 ff.
Verfahrensgang
AG Warendorf (Urteil vom 14.12.2004; Aktenzeichen 9 F 438/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das am 14.12.2004 verkündete Urteil des AG - FamG - Warendorf abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien sind seit Anfang 2003 getrennt lebende, rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind die am 8.11.1995 geborenen Zwillinge J. und N. sowie die am 26.10.1997 geborene Tochter S. hervorgegangen, die nach der Trennung zunächst bei der Beklagten verblieben, bevor sie am 15.1.2004 in den Haushalt des Klägers wechselten, wo sie seitdem leben. Mit Beschluss des AG W. vom 24.2.2004 ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder bei fortbestehender gemeinsamer elterlicher Sorge dem Kläger übertragen worden, der für die Kinder nach dem UVG Leistungen i.H.v. monatlich 164 EUR je Kind bezieht. Auf die Stadt M. und zuvor auf den Kreis W. übergegangene Ansprüche sind an ihn rückabgetreten worden.
Die Beklagte ist gebürtige Portugiesin und besitzt keine abgeschlossene Berufsausbildung. Während der 1995 geschlossenen Ehe ist sie nur zeitweise und teilschichtig als Kellnerin erwerbstätig gewesen, nachdem sie zuvor verschiedenen Tätigkeiten als Servicekraft, Verkäuferin und Kassiererin nachgegangen war. Nach der Trennung war die Beklagte zunächst im Geringverdienerbereich als Aushilfe in einem Bistro beschäftigt, seit dem 1.9.2004 befindet sie sich in einer Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau. Die ihr in diesem Zusammenhang gezahlte Ausbildungsvergütung betrug bis zum 30.4.2005 monatlich 500 EUR brutto, seit dem 1.5.2005 beläuft sie sich auf monatlich 530 EUR brutto.
Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte nach vorangegangenem Auskunftsverlangen mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15.3.2004 für die Zeit ab März 2004 auf Kindesunterhalt in Anspruch, wobei er erstinstanzlich Zahlung von monatlich 241 EUR je Kind gefordert hat.
Die Beklagte hat sich auf fehlende Leistungsfähigkeit berufen und behauptet, sich in der Zeit von Mai bis Juli 2004 umfassend, aber erfolglos um eine Anstellung bemüht zu haben. Nach Aufnahme ihrer derzeitigen Ausbildung sei ihr eine Nebentätigkeit dagegen weder zeitlich möglich noch erlaubt, da hierdurch das Ausbildungsziel gefährdet würde.
Das AG hat der Klage durch das angefochtene Urteil teilweise stattgegeben und die Beklagte allein für die Zeit von April bis August 2004 zu Unterhaltszahlungen i.H.v. monatlich je 120 EUR pro Kind verurteilt. Es hat zur Begründung ausgeführt, im genannten Zeitraum müsse sich die Beklagte ein fiktives Einkommen von monatlich 1.200 EUR zurechnen lassen, während sie ab September 2004 als nicht leistungsfähig anzusehen sei. Die Aufnahme einer Ausbildung sei ungeachtet der fortbestehenden Unterhaltsverpflichtung der Beklagten den Kindern ggü. nicht zu beanstanden, da es sich hierbei um eine Erstausbildung handele, die letztlich auch der dauerhaften Sicherung des Kindesunterhalts diene. Die Aufnahme einer Nebentätigkeit könne dagegen wegen wechselnder Arbeitszeiten nicht von der Beklagten verlangt werden.
Hiergegen richten sich die wechselseitigen Rechtsmittel der Parteien.
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung sein Unterhaltsverlangen mit der Maßgabe weiter, dass nunmehr allein noch Zahlung des Differenzbetrages zwischen den gewährten Leistungen nach dem UVG von monatlich 164 EUR je Kind und dem Tabellenbetrag der Altersstufe 2, Einkommensgruppe 2 - derzeit monatlich 241 EUR - verlangt wird. Hintergrund der eingeschränkten Antragstellung ist der Umstand, dass die Stadt M. keine Zustimmung zur Durchführung des Berufungsverfahrens erteilt hat.
Der Kläger beantragt,
1. das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte nach seinen erstinstanzlichen Schlussanträgen unter Anrechnung der nach dem UVG gezahlten Beträge i.H.v. monatlich 164 EUR je Kind zu verurteilen;
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen;
2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und wendet ein, wegen fehlender Berufsausbildung nur über stark eingeschränkte Chancen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verfügen und daher nicht einmal in dem vom AG angenommenen Umfang leistungsfähig (gewesen) zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf ...