Leitsatz (amtlich)
Für den Funktionsverlust der linken Schulter erscheint ein Schmerzensgeld von 50.000 EUR angemessen. Bei der Bewertung als grober Behandlungsfehler kann auch berücksichtigt werden, dass die gewählte Operationsart nicht die Methode der Wahl war und selbst fehlerhaft durchgeführt worden ist.
Normenkette
BGB §§ 611, 280, 823, 253
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 13.11.2012; Aktenzeichen 5 O 9/11) |
Tenor
Auf die Berufungen der Parteien wird das am 13.11.2012 verkündete Urteil der fünften Zivilkammer des LG Arnsberg teilweise abgeändert.
Die Beklagten zu 1), 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 50.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.12.2010 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1), 2) und 3) verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen materiellen und derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden aus Anlass der Operation vom 9.11.2005 zu ersetzen, soweit ein öffentlich-rechtlicher Forderungsübergang nicht stattfindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 2/5 und die Beklagten zu 1), 2) und 3) zu 3/5. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) und 5) trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden den Beklagten zu 1), 2) und 3) zu 3/5 auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers.
Die am ...1958 geborene Klägerin befand sich vom November 2005 bis Februar 2006 wegen einer Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenks in der Klinik der Beklagten zu 1). Dort wurde am 9.11.2005 ein Eingriff vorgenommen, bei dem eine Acromioplastik mit Beseitigung einer Exostose und Durchtrennung des ligamentum coracoaromiale vorgenommen wurde. Seit diesem Eingriff kann die Klägerin ihren linken Arm nicht mehr richtig heben. Während des Krankenhausaufenthaltes stürzte die Klägerin am 18.11.2005 im Krankenhaus der Beklagten zu 1) auf einer Treppe, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob sie dabei auch auf die Schulter gefallen ist. Am 17.1.2006 wurde eine Mobilisation der Klägerin in Narkose vorgenommen. Am 21.2.2006 erfolgte eine Revisionsoperation, bei der Verwachsungen gelöst wurden. Im Oktober 2006 erfolgte ein erneuter Eingriff an der Schulter der Klägerin, bei dem im Evangelischen Krankenhaus in E eine Rotatorenmanschetten-Naht durchgeführt wurde und in dessen Verlauf es zu einer Infektion kam. In der Zeit vom 31.1. bis 2.2.2008 wurde die Klägerin erneut im Krankenhaus der Beklagten zu 1) stationär wegen einer osteoporotischen BWK-12-Fraktur behandelt. Bei einem Eingriff am 19.2.2009 erfolgte in der orthopädischen Praxisklinik in N eine Versteifung der linken Schulter. Vom 12.3.2009 bis zum 4.9.2009 befand sich die Klägerin zur Schmerztherapie und chirurgischen Nachbehandlung (Rearthrodese) abermals im evangelischen Krankenhaus in E. Im Juni 2009 erfolgte ein weiterer Eingriff. Vom 13.9.2010 bis zum 2.10.2010 hielt sich die Klägerin zur Metallentfernung wiederum im evangelischen Krankenhaus in E auf. Ein weiterer stationärer Aufenthalt erfolgte dort in der Zeit von Mai bis August 2011.
Die Klägerin hat mit der Begründung, die operativen Eingriffe vom 9.11.2005 und 21.2.2006 seien behandlungsfehlerhaft erfolgt, weil dabei das Schulterdach vollständig entfernt worden sei, Schmerzensgeld i.H.v. 50.000 EUR sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und künftige immaterielle Schäden geltend gemacht.
Nach Einholung eines schriftlichen fachorthopädischen und unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens und dessen mündlicher Erläuterung im Kammertermin hat das LG durch das angefochtene Urteil der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 30.000 EUR verurteilt. Ferner hat es die Ersatzpflicht für sämtliche materiellen und künftigen immateriellen Schäden festgestellt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Klägerin sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei dem Eingriff vom 9.11.2005 fehlerhaft behandelt worden. Wie der Sachverständige ausgeführt habe, sei die im Verlauf des Eingriffs erfolgte Zerstörung des Schulterdaches grob behandlungsfehlerhaft. Dass es zu diesem Behandlungsfehler gekommen sei, ergebe sich aus den vorliegenden Röntgenbildern. Die Beschwerden der Klägerin seien auch nicht auf einen Sturz vom 18.11.2005 zurückzuführen, denn das Röntgenbild vom 18.11.2005 belege nicht eindeutig einen Sturz. Vielmehr könnten die darauf erkennbaren Knochenteile auch von dem Eingriff stammen. Auch sei ein Bruch des Schulterdach...