Leitsatz (amtlich)

Die gemeinsame Fahrt in die Niederlande zum - dann dort auch realisierten - Konsum von Drogen begründet keine wechselseitige Garantenstellung; der Teilnehmer an einer solchen Fahrt ist deshalb nicht für gesundheitliche Schäden (schwere Gesundheitsstörung durch angeblich längere Bewusstlosigkeit) eines anderen Drogenkonsumenten aus dem Rauschgiftkonsum verantwortlich zu machen.

Allerdings kann gegen den Teilnehmer ein Anspruch des Geschädigten auf Schmerzensgeld nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 323c StGB in Frage kommen; dieser setzt den Beweis einer hilflosen Lage des Geschädigten (hier: längere Bewusstlosigkeit) und deren positive Kenntnis, zumindest deren billigende Inkaufnahme voraus.

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Urteil vom 07.04.2004; Aktenzeichen 5 O 11/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 7.4.2004 als Versäumnisteil und Schlussurteil verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Siegen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2) durch Sachurteil und nicht durch Versäumnisurteil erfolgt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern diese nicht ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

Gründe

I. Der Kläger und beide Beklagte fuhren am 1.12.2001 in dem Pkw des Klägers, der von dem Beklagten zu 1) geführt wurde, in die Niederlande (I), um Rauschgift zu konsumieren. Nach ihrer Ankunft kauften sie dort Heroin für den Eigenbedarf und verbrauchten das Rauschgift. Auf der Rückfahrt nach T. befand sich der Kläger auf der Rücksitzbank seines Fahrzeuges; ob er dabei bewusstlos war oder nur schlief, ist zwischen den Parteien streitig. Als die Parteien am 2.12.2001 wieder in T. eintrafen, setzte der Beklagte zu 1) zunächst den Beklagten zu 2) bei dessen Wohnung ab und fuhr dann zu seiner eigenen Wohnung, wo er sich selbst schlafen legte, während der Kläger in dem unbeheizten Pkw verblieb. Am Abend dieses Tages fuhr der Beklagte zu 1) mit dem noch immer in dem Fahrzeug liegenden Kläger zu dessen Wohnung und holte dort den (damaligen) Nachbarn M zu Hilfe, der sodann einen Notarzt herbeirief.

Der Kläger behauptet, er sei unmittelbar nach Einnahme der Droge bereits an Ort und Stelle bewusstlos geworden und bis zur Ankunft in T. über einen Zeitraum von ca. 24 Stunden bewusstlos geblieben. Infolge dieses langandauernden Zustandes habe er erhebliche neurologische Schäden sowie Nierenschäden davongetragen. Für beide Beklagte sei aufgrund ihrer Erfahrung mit Betäubungsmitteln bereits in den Niederlanden erkennbar gewesen, dass bei ihm nicht lediglich die Wirkung des konsumierten Rauschgiftes eingetreten sei. Des Weiteren hätte der Beklagte zu 1) in jedem Fall nach der Ankunft in T. erkennen können und müssen, dass er dringend ärztlicher Hilfe bedurft habe. Mit seiner Klage hat der Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 30.000 Euro sowie die Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm sämtliche noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 1./2.12.2001 zu ersetzen.

Während der Beklagte zu 2) keinen Antrag gestellt hat, ist der Beklagte zu 1) dem Klagebegehren entgegengetreten. Er behauptet, der Kläger und der Beklagte zu 2) hätten auf der Fahrt in die Niederlande Alkohol (Bier und Jägermeister) getrunken. Nachdem die Parteien nach dem Heroinkonsum noch etwa eine Stunde lang durch die Niederlande gefahren seien, habe der Kläger von dem Beifahrersitz auf die Rücksitzbank wechseln und sich dort hinlegen wollen. Dort sei er nach kurzer Zeit eingeschlafen und habe auf Teilen der Rückfahrt laut geschnarcht. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt in keiner bedrohlichen gesundheitlichen Lage befunden, jedenfalls sei eine solche Lage für die Beklagten nicht erkennbar gewesen. Als er den schlaftrunkenen Kläger nach der Rückkehr nach T. zum Verlassen des Pkw habe veranlassen wollen, habe dieser sich dagegen gesperrt und darauf bestanden, in dem Fahrzeug weiter zu schlafen. Am frühen Abend habe er erneut nach dem noch in dem Pkw liegenden Kläger gesehen und festgestellt, dass dieser über Schmerzen im Rücken geklagt habe. Daraufhin habe er ihn zu seiner Wohnung gefahren, zuletzt sei er zwischen die Rücksitzbank und die Vordersitze gerutscht und habe sich nicht wieder aufrichten können. Erst in diesem Augenblick habe er mit einer bedrohlichen Gesundheitslage des Klägers gerechnet und den Nachbarn M zu Hilfe geholt. Der Beklagte zu 1) bestreitet schließlich auch die behaupteten schweren Gesundheitsschäden des Klägers und deren Zusammenhang mit den Ereignissen vom 1./2.12.2002 mit Nichtwissen.

Das LG hat nach auszugsweiser Erörterung der von dem Kläger in Bezug genommenen Strafakten 251 Js 221/02 und 251 Js 216/02 StA Siegen die Klage abgewiesen. Es hat aufgrund der gegensätzlichen E...

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