Leitsatz (amtlich)
1. Hatte der Unfallgeschädigte zunächst erklärt, dass sich der Unfall auf einer Geschäftsfahrt ereignet hatte, ist er dafür beweispflichtig, dass diese Erklärung irrtümlich abgegeben wurde und § 115 Abs. 1 SGB VII nicht eingreift.
2. Selbst wenn anlässlich einer mehrtägigen Besuchsreise (hier: Teilnahme an einer Gaststätteneröffnung der Tochter) an einem Tag auch eine geschäftliche Unterredung an einem anderen Ort stattfand, handelt es sich bei der Heimfahrt, die an einem späteren Tag stattfand, nicht um eine betriebliche Tätigkeit i.S.v. § 115 Abs. 1 SGB VII.
Normenkette
SGB VII § 115 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 28.04.2005; Aktenzeichen 19 O 293/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des LG Hannover vom 28.4.2005 aufgehoben.
Die Klage ist dem Grund nach gerechtfertigt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über ein etwaiges Mitverschulden des Klägers sowie die Höhe des Anspruchs an das LG zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt - auch hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens - dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 17.500 EUR.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO):
I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 69 d.A.). Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Verkehrsunfall vom 4.10.2003 auf einer Geschäftsfahrt und damit während einer von der Haftungsbeschränkung des § 105 Abs. 1 SGB VII erfassten innerbetrieblichen Tätigkeit - nicht vorsätzlich und nicht auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII versicherten Weg - verursacht worden sei. Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, der sein ursprüngliches Klageziel weiterverfolgt; die Beklagte verteidigt demgegenüber das angefochtene Urteil (jeweils mit Anträgen wie im Protokoll Bl. 162 d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat über den Anlass der Autofahrt mit Beschl. v. 18.10.2005 (Bl. 141 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen R.H. und C.K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2005 (Bl. 162 d.A.) und den Vermerk des Berichterstatters vom 8.12.2005 (Bl. 173 d.A.) Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage ist dem Grund nach gerechtfertigt. Dies war daher festzustellen und der Rechtsstreit gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 u. 4 ZPO auf den hilfsweise gestellten Antrag des Klägers unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das LG zurückzuverweisen, weil der Streit über den Betrag des Anspruchs noch nicht zur Entscheidung reif ist und in diesem Rahmen eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme erforderlich sein wird.
1. Die Beklagte hat dem Grund nach für den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch einzustehen gem. § 3 Nr. 1 PflVG. Sie kann sich nicht auf eine Haftungsprivilegierung nach § 105 SGB VII berufen. Denn der Verkehrsunfall hat sich nicht während einer betrieblichen Tätigkeit ereignet. Das folgt aus der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme.
a) Grundsätzlich wäre die Beklagte dafür beweispflichtig, dass die zum Unfall führende Fahrt Teil eines innerbetrieblichen Vorgangs war, weil es sich insoweit um ein sie begünstigendes Tatbestandsmerkmal (des § 105 SGB VII) handelt. Wegen der schriftlichen Erklärungen des Klägers vom 3.3.2004 (Bl. 12 d.A.) sowie seiner Prozessbevollmächtigten vom 5.3.2004 (Bl. 36 d.A.) spricht allerdings der Anschein dafür, dass der Unfall im Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit auf einer "Geschäftsreise" passiert ist. Dem Kläger ist jedoch der Beweis des Gegenteils gelungen, dass die Fahrt nicht mehr zum Teil der betrieblichen Organisation gehörte und ihre Durchführung davon nicht geprägt war: Die Zeuginnen H. und K. haben übereinstimmend und glaubhaft bekundet, der Kläger habe zusammen mit der Zeugin H. am 3.10.2003 vom späten Vormittag bis in den Abend an der Eröffnungsfeier der zum damaligen Zeitpunkt von der Zeugin K. geführten Gaststätte "..." in D. teilgenommen. Von da seien sie zur Tochter der Zeugin H. nach R. gefahren, wo sie übernachtet hätten. Die Rückfahrt nach N. - auf der es zum streitbefangenen Verkehrsunfall gekommen ist - sei dann am nächsten Tag, dem 4.10.2003, von R. aus erfolgt. Anlass der Reise sei insgesamt die Geschäftseröffnung der Zeugin K. gewesen (vgl. im Einzelnen Bl. 173 f. d.A.).
b) Die Fahrt vom 4.10.2003 kann damit nicht als innerbetrieblicher Vorgang angesehen werden. Sie war weder Teil einer betrieblichen Tätigkeit noch in ihrer Durchführung davon geprägt (OLG Celle, Beschl. v. 4.7.2005 - 14 W 18/05, OLGReport Celle 2005, 603 [604] = SchadenPraxis 2005, 337, m.w.N.). Im Gegensatz zur Ansicht des LG war der Kläger mit der Zeugin H. am 4.10.2003 nicht "von einem Geschäftstermin kommend unterwegs" (LGU 8). Selbst wenn er no...