Leitsatz (amtlich)

›1) Zur ärztlichen Feststellung gehört neben der Diagnose auch die Feststellung der Unfallbedingtheit der diagnostizierten Erkrankung.

2) Ein vom Versicherer zur Bemessung der Invalidität beauftragter medizinischer Gutachter ist nicht Erfüllungsgehilfe des Versicherers im Rahmen von eventuellen Hinweis- und Beratungspflichten.‹

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 15 O 140/00)

 

Tatbestand

Der Kläger hat bei dem Beklagten eine Unfallversicherung abgeschlossen, der die AUB 88 zugrunde liegen. Die Versicherungssumme für Invalidität beträgt 600.000,00 DM.

Bei einem Verkehrsunfall am 05. Dezember 1994 zog sich der Kläger eine Zerrung der Halswirbelsäule zu. Er klagt seither über entsprechende Beschwerden sowie pfeifende Ohrgeräusche (Tinnitus). Am 23. Dezember 1995 erlitt der Kläger einen weiteren Verkehrsunfall, durch den die bisherigen Beschwerden verstärkt worden sind.

Der Kläger leidet an Psoriasis, die vor dem ersten Verkehrsunfall im Jahr 1994 bereits aufgetreten war.

Der Beklagte rechnete den vom Kläger angemeldeten Anspruch auf Invaliditätsleistung nach dem Unfall vom 05. Dezember 1994 mit Schreiben vom 12. Oktober 1995 (Bl. 13 f. d.A.) und nach dem weiteren Unfall vom 23. Dezember 1995 mit Schreiben vom 18. Februar 1998 (Bl. 15 f. d.A.) ab. Dabei ist er von einer Invalidität des Klägers von 25 % ausgegangen, wobei 15 % für den Tinnitus und 10 % für eine Störung des Gleichgewichtsorgans angenommen worden sind. Dieser Einschätzung des Beklagten lagen die von ihm eingeholten Gutachten des Prof. Dr. P - Chefarzt der HNO-Abteilung an der Ruhr-Universität B - vom 29.09.1995 (Bl. 39 ff. d.A.) und 26.09.1996 (Bl. 51 ff. d.A.) sowie 20.02.1998 (Bl. 91 ff. d.A.), und des Prof. Dr. S - Chirurgische Universitätsklinik U - vom 27.02.1997 (Bl. 60 ff. d.A.) sowie des Prof. Dr. A - Urologische Universitätsklinik U - vom 27.02.1997 (Bl. 71 ff. d.A.) zugrunde.

Der Kläger beanstandet die Bemessung des Invaliditätsgrades von 25 % für die vom Beklagten anerkannten unfallbedingten Dauerbeeinträchtigungen nicht. Er berühmt sich jedoch wegen der Hauterkrankung Psoriasis einer Gesamtinvalidität von 40 % und beruft sich insoweit auf das Gutachten des Dr. G - Neurologe und Psychiater -, das dieser am 17.12.1998 auf der Grundlage einer Untersuchung des Klägers vom 14.12.1998 in einem Rechtsstreit des Klägers gegen den Freistaat Bayern vor dem Sozialgericht Augsburg erstattet hat und wegen dessen Inhalts auf Bl. 17 ff. d.A. verwiesen wird. Der Grad der Behinderung des Klägers ist in diesem Gutachten unter Berücksichtigung sämtlicher körperlicher Beeinträchtigungen einschließlich der Psoriasis mit 40 % bemessen, wobei die Psoriasis für sich genommen "ab Untersuchung" 30 % ausmachen soll.

Der Kläger verlangt mit der Klage auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 40 % eine Invaliditätsleistung von 240.000,00 DM abzüglich von dem Beklagten gezahlter 150.000,00 DM, das sind 90.000,00 DM. Er hat dazu behauptet, die Erkrankung Psoriasis sei zwar vor dem ersten Unfall in dem Jahr 1994 schon aufgetreten, aber vor dem 05. Dezember 1994 völlig abgeklungen gewesen. Nachdem er zunächst behauptet hatte, nach dem ersten Unfall vom 05. Dezember 1994 sei ein "Verschlechterungsschub" eingetreten, der auch durch die unfallbedingte Angst um seine berufliche Leistungsfähigkeit ausgelöst worden sei, hat er nach einem Hinweis des Landgerichts auf die Frist des § 7 I AUB 88 im weiteren Verlauf des ersten Rechtszuges behauptet, die Psoriasis sei erst nach dem zweiten Unfall vom 23. Dezember 1995 wieder aufgetreten. Im Gutachten des Prof. Dr. S vom 27. Februar 1997 sei diese unfallbedingte Hauterkrankung auch fristgerecht ärztlich festgestellt worden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 90.000,00 DM nebst 9,5 % Zinsen seitdem 20. Oktober 1998 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat bestritten, daß die Hauterkrankung Psoriasis eine unfallbedingte Beeinträchtigung des Klägers sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, die Psoriasis könne als unfallbedingte Beeinträchtigung des Klägers schon deshalb nicht bei der Bemessung der Invaliditätsleistung berücksichtigt werden, weil sie nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 7 I AUB 88 ärztlich festgestellt und geltend gemacht worden sei. Außerdem sei ihre Berücksichtigung nach § 2 IV AUB 88 ausgeschlossen.

Gegen diese Entscheidung, wegen deren Einzelheiten - auch hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien - auf ihren Inhalt verwiesen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer weiteren Invaliditätsentschädigung von 90.000,00 DM nebst Zinsen weiterverfolgt. Er ist zunächst der Auffassung gewesen, die Frist des § 7 I AUB 88 sei gewahrt, denn für den Beginn der Frist sei der zweite Unfall vom 23. Dezember 1995 maßgeblich, da erst im Anschluß an den zweiten Unfall die Psoriasis wieder ausgebrochen sei. Die ärztliche...

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