Leitsatz (amtlich)

1.) Ein Täuschungsversuch nach § 14 Nr. 2 AERB 87 wird nicht durch den inneren Vorbehalt des Versicherungsnehmers, der Regulierungsbeauftragte des Versicherers werde es angesichts des im Vorfeld mitgeteilten Aktenzeichens des polizeilichen Ermittlungsverfahrens schon besser wissen, ausgeschlossen.

2.) Der Versicherungsnehmer darf befürchteten Beweisschwierigkeiten oder Verzögerungen der Regulierung nicht durch Täuschungen entgegenwirken oder durch Täuschung auf die Entschließung des Versicherers über die Auszahlung der Entschädigung Einfluss nehmen.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 23.07.2010; Aktenzeichen 7 O 301/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.7.2010 verkündete Ur-teil der 7. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.855,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.1.2009 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(ohne Tatbestand gem. § 313a Abs. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Abweichend von der angefochtenen Entscheidung steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der aus Anlass des Einbruchdiebstahls vom 17./18.2.2006 erbrachten Entschädigungsleistung i.H.v. 8.855,90 EUR nebst Zinsen zu.

I. Anspruchsgrundlage für den in Rede stehenden Rückforderungsanspruch ist § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion). Der Versicherer, der in Unkenntnis seiner Leistungsfreiheit gezahlt hat, kann die Entschädigung unter dem Gesichtpunkt der ungerechtfertigten Bereicherung aus § 812 BGB zurückfordern (vgl. Prölss/Martin, VVG 28. Aufl., Vor § 74 Rz. 129 ff. m.w.N.).

Die Beklagte ist in Höhe der aufgrund des o.g. Schadensereignisses unstreitig erbrachten Regulierungsleistungen von insgesamt 8.855,90 EUR auf Kosten der Klägerin bereichert. Die Beklagte hat den ihr erwachsenen Vermögensvorteil angesichts der aus § 14 Nr. 2 AERB 87 folgenden Leistungsfreiheit der Klägerin auch ohne Rechtsgrund erlangt. Von ihrer eigentlich bestehenden Leistungsfreiheit hat die Klägerin wiederum erst im Anschluss an die am 22.5.2006 erfolgten Regulierung, nämlich erst aufgrund der erstmalig am 10.6.2006 erfolgten Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C - 2 UJS. Kenntnis erlangt.

1. Nach § 14 Nr. 2 der hier ausweislich des vorgelegten Nachtrags zum Versicherungsschein vom 22.4.2005 (Vers.-Nr. 400.197.074.700) maßgeblichen AERB 87 ist der Versicherer von seiner Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer oder einer seiner Repräsentanten versucht, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Als Rechtsfolge sieht § 14 Nr. 2 AERB 87 vor, dass der Versicherer für diesen Fall vollständig von seiner Leistungspflicht frei wird (Verwirkungsbestimmung mit Strafcharakter). Im Grundsatz genügt es hierfür, wenn - von dem hier nicht gegebenen Fall unbilliger Härte abgesehen - der Versicherungsnehmer nur über eine für die Entschädigung relevante Tatsache zu täuschen versucht.

Die an eine versuchte arglistige Täuschung i.S.d. § 14 Nr. 2 AERB 87 zu stellenden Anforderungen, für die der Versicherer darlegungs- und beweisbelastet ist, sind vorliegend sowohl in objektiver wie in subjektiver Hinsicht erfüllt.

2. In objektiver Hinsicht ist Voraussetzung für einen Täuschungsversuch nach § 14 Nr. 2 AERB 87, dass über Tatsachen getäuscht wird, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Es genügt jede objektiv falsche Angabe oder das Verschweigen offenbarungspflichtiger Tatsachen (vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch 2. Aufl., § 33 Rz. 171 u. 173 m.w.N.).

Die im Verhandlungsprotokoll vom 22.5.2006 (Anlage K 3) dokumentierten und von dem Geschäftsführer der Beklagten auf jeder Seite mit seiner Unterschrift bestätigten Angaben zum Schadenshergang sind in mehrfacher Hinsicht objektiv falsch:

  • Im v. g. Verhandlungsprotokoll vom 22.5.2006 ist zum einen angegeben "1 Fenster wurde aufgehebelt.". Dies ist ausweislich des Tatortbefundberichtes und des Spurensicherungsberichtes der Kreispolizeibehörde N-M vom 18.2.2006 (Bl. 4 ff. der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C, 2 UJS.), deren tatsächliche Grundlagen in Anwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten V M festgestellt und mit ihm erörtert worden waren, objektiv falsch. Im Tatortbefundbericht heißt es hierzu: "Das Fenster ist durch die Olive entriegelt. Der Hebel steht in Schrägrichtung/öffnen/aufschwenken. Das Fenster ist unbeschädigt." (Bl. 5 der v. g. Ermittlungsakte). Weiter heißt es "Insgesamt vermutet Herr M hier, dass sein Büro von Besuchern der neben liegenden Agentur (...) unter der Woche ausbaldowert worden sein könnte und diese im Vorgriff dann das Einstiegsfenster entriegelt haben könnten. Dies wäre nach seiner Ansicht dadurch untermauert, dass er das Fenster ja entriegelt und dabei völlig unbeschädi...

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