Leitsatz (amtlich)

1. Der Halter eines Anhängers muss sich das Verhalten des Fahrers einer Zugmaschine, mit der der Anhänger mit seinem Wissen und Wollen bewegt wird, im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG im Verhältnis zum Halter der Zugmaschine wie eigenes Mitverschulden i.S.d. §§ 9 StVG, 254 BGB zurechnen lassen, wenn bei dem Betrieb von Zugmaschine und Anhänger ein im Eigentum des Halters des Anhängers stehendes weiteres Fahrzeug beschädigt wird.

2. Zur Frage der stillschweigend vereinbarten Haftungsbegrenzung bei Realisierung eines nicht versicherten Schadensrisikos beim Rangieren fremder Fahrzeuge im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses mit einem Dritten.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 9, 18; BGB §§ 254, 823

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 01.08.2014; Aktenzeichen I-5 O 49/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1.8.2014 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Bochum - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 10.910,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 10.804,30 EUR seit dem 28.2.2011 und aus 106,50 EUR seit dem 28.1.2014 abzgl. am 17.2.2014 gezahlter 9.912,60 EUR, hiervon 9.806,10 EUR auf den Betrag von 10.804,30 EUR und 106,50 EUR auf den Betrag von 106,50 EUR, zu zahlen.

Die Beklagten werden außerdem als Gesamtschuldner verurteilt, an die Rechtsanwälte Dr. N und L aus T 805,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.3.2014 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gem. den §§ 540 II, 313a I 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO)

A. Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 1) als Fahrer und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer einer nicht von ihr gehaltenen (fremden) Sattelzugmaschine wegen der Beschädigung einer in ihrem Eigentum stehenden (eigenen) Sattelzugmaschine auf dem Betriebsgelände der Fa. "F GmbH" in S in Anspruch.

Der Beklagte zu 1) war Angestellter einer Frachtführerin der Fa. "F GmbH". Er war am Unfalltag, den 11.11.2010, mit dem Rangieren der nicht von der Klägerin gehaltenen Sattelzugmaschine auf dem Betriebsgelände der genannten Firma beauftragt. An die zu rangierende Sattelzugmaschine angehängt war ein von der Klägerin selbst gehaltener Auflieger, der beladen werden sollte. Beim Rückwärtsfahren stieß der Beklagte zu 1) aus Unachtsamkeit mit dem angehängten Auflieger der Klägerin gegen die auf dem Betriebsgelände abgestellte Zugmaschine der Klägerin. Dadurch entstand ein Sachschaden i.H.v. 16.446,70 EUR netto (für Reparatur- und Beschriftungskosten) an der Zugmaschine. Darüber hinaus hat die Klägerin Sachverständigenkosten, Vorhaltekosten und eine Kostenpauschale geltend gemacht.

Das LG hat der Klage dem Grunde nach mit einer Quote von 50 % stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin selbst treffe zwar kein Verschulden an dem Unfall; für sie habe es sich dabei um ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 III StVG gehandelt. Sie müsse sich aber im Verhältnis zur Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherer der schädigenden Sattelzugmaschine das Verschulden des Beklagten zu 1) als Fahrer des von ihr gehaltenen, an die Sattelzugmaschine angehängten Aufliegers anteilig zurechnen lassen. Zugmaschine und Auflieger würden eine Betriebseinheit bilden, die über den Fahrer der Zugmaschine miteinander verbunden sei. Dieser wiederum sei sowohl in die Haftungseinheit zwischen Fahrer und Halter der Zugmaschine, als auch in die zwischen Fahrer und Halter des Aufliegers eingebunden. Da wegen der Haftungseinheit die Haftung von Fahrer und Halter eines Fahrzeuges nach dem Straßenverkehrsgesetz nicht auseinanderfallen könnten und die eigene Zugmaschine der Klägerin sowohl beim Betrieb der fremden Zugmaschine als auch beim Betrieb des Aufliegers beschädigt worden sei, würden der Halter der Zugmaschine und der Halter des Aufliegers jeweils zu 50 % für den Schaden haften. Da die Klägerin als Halterin des Aufliegers jedoch mit der Eigentümerin des geschädigten Fahrzeugs identisch sei, komme insoweit nur eine Mithaftung nach § 254 BGB in Betracht. Ein weiter gehender haftungsrechtlicher Innenausgleich zwischen dem Beklagten zu 1) und der Klägerin scheide aus, da dieser berechtigter Fahrer der fremden Zugmaschine und des angehängten Aufliegers gewesen sei und deswegen davon habe ausgehen dürfen, dass er nur für Schäden an fremden Fahrzeugen aufzukommen habe, soweit auch für ihn Versicherungsschutz bestehe. Da für die Beschädigung eigener Fahrzeuge der Klägerin kein Versicherungsschutz bestehe, sei er jedenfalls von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit freigestellt gewesen. Der Höhe nach könne die Klägerin Sachverständigenkosten nicht ersetzt verlangen mangels Vorlage einer entsprechenden Kostenrechnung....

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