nicht rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1.

Die Anfechtungsbefugnis i. S. d. § 245 Nr. 1 AktG eines in der Hauptversammlung und bei Einlegung des Widerspruchs vertretenen Aktionärs setzt gemäß § 136 Abs. 3 AktG das Vorliegen einer wirksamen schriftlichen Vollmacht zum Zeitpunkt der Hauptversammlung voraus. Der Nachweis einer entsprechenden Bevollmächtigung ist im Falle des Bestreitens im Anfechtungsprozess auch dann zu führen, wenn der Versammlungsleiter die Vertretungsmacht des Vertreters trotz fehlender Vollmachtsurkunde nicht beanstandet hat.

2.

Ein Aktionärskonsortium mit dem Zweck einer einheitlichen Stimmrechtsausübung und einer Sicherstellung einer Stimmenmehrheit ist jedenfalls dann kein herrschendes Unternehmen i. S. d. §§ 17, 312 AktG, wenn es sich nicht als Gesellschaft noch anderweitig unternehmerisch betätigt. Als beherrschende Unternehmen kommen allerdings nach Lage des Einzelfalles die Mitglieder des Konsortiums in Betracht.

3.

Eine Holding, die sich auf die Verwaltung der Beteiligung einer Aktiengesellschaft beschränkt, ist nicht Unternehmen im Sinne des Konzernrechts, weil keine ernsthafte Besorgnis besteht, sie könne mit Rücksicht auf anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen ihren Einfluss auf die Aktiengesellschaft zu deren Nachteil ausüben. Eine entsprechende konkrete und ernsthafte Sorge wird auch nicht allein durch die satzungsmäßige Möglichkeit des Erwerbs weiterer Beteiligungen durch die Holding begründet.

 

Beteiligte

der H. AG

den Vorstand, Dieter … Ingolf … Gerhard … und Dr. Klaus Jürgen …, und vertreten durch den Aufsichtsrat, Axel … Dr. Hermann …, Otto … Willi … Hans … und Gerhard …

1. Herrn Dieter S

2. Herrn Uwe S

3. Frau Inge S

4. Herrn Jan S

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 13 O 37/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. November 1999 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,– DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheit durch unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zollbürgen zugelassenen Kreditinstitutes leisten.

Das Urteil beschwert die Klägerin mit mehr als 60.000,– DM.

 

Tatbestand

Die Kläger, verbunden in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts „S. Vermögensverwaltungsgesellschaft”, sind mit einer Kapitalbeteiligung von insgesamt 2.500,– DM Aktionäre der Beklagten, eines Unternehmens der Bekleidungsindustrie mit einem Grundkapital von 38,5 Mill. DM. Sie wenden sich mit ihrer Anfechtungsklage gegen die von der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 22.04.1999 mehrheitlich beschlossene Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes für das Geschäftsjahr 1997/98, und zwar im wesentlichen, weil die Beklagte vor der Entlastung keinen Abhängigkeitsbericht gemäß § 312 AktG erstellt habe, obgleich sie – die Beklagte – von einem unter der Führung der B.-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG … (künftig: B. KG) stehenden Stimmrechtskonsortium beherrscht werde.

Am Grundkapital der 1995 von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Beklagten waren zum 31. Oktober 1998 folgende Aktionäre beteiligt:

a)

B.-Beteiligungsgesellschaft GmbH & Co. KG, …

39,970

%

Klaus T.

5,580

%

Hans-Jürgen H.

5,215

%

Uwe H.

5,215

%

H.

1,860

%

=

55,840

%

b)

Restliche im Streubesitz befindliche Aktien

=

44,160

%.

Die unter a) genannten Aktionäre haben sich gemäß einer Aktionärsvereinbarung von Dezember 1994 zur gemeinsamen Stimmrechtsausübung verpflichtet. Aufgrund des Stimmbindungsvertrages erfolgen Abstimmungen innerhalb des Konsortiums, unter deren Mitgliedern die B. KG die absolute Mehrheit besitzt, stets mit einfacher Mehrheit, so dass die B. KG über das Konsortium maßgeblichen Einfluss auf die Beklagte ausüben kann.

In der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 22.04.1999 betrafen die Tagesordnungspunkte 3) und 4) die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 1997/98. Die Kläger zu 1) und 2) stimmten für die Mitglieder der S. Vermögensverwaltungsgesellschaft gegen die jeweils mit Stimmenmehrheit von über 90 % beschlossenen Entlastungen und erklärten als einzige Aktionäre insgesamt Widerspruch zur Niederschrift gegen beide Entlastungsbeschlüsse, ohne dass ihre Vollmacht beanstandet wurde.

Die Kläger haben behauptet, innerhalb ihrer Gesellschaft bürgerlichen Rechts seien die Kläger zu 1) und 2) zur einheitlichen Ausübung ihrer Aktionärsrechte bevollmächtigt gewesen. Sie haben die Entlastungsbeschlüsse beanstandet, weil die Beklagte für das in Rede stehende Geschäftsjahr 1997/98 – unstreitig – keinen Abhängigkeitsbericht im Sinne von § 312 AktG erstellt hat und dementsprechend keine Prüfung dieses Berichts gemäß §§ 313, 314 AktG erfolgt ist. Die...

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