Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorvertragliche Anzeigepflicht (VVG §§ 19, 22): Arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers bei den vorvertraglichen Gesundheitsfragen

 

Leitsatz (amtlich)

Verschweigt der Versicherungsnehmer auf entsprechende Frage einen anzeigepflichtigen und ihm bewussten Umstand, kann es für das Merkmal der Arglist entscheidend sein, ob er für die Falschangabe eine plausible Erklärung gibt. Arglist hier bejaht.

 

Verfahrensgang

LG (Urteil vom 25.02.2016)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.02.2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG. abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung des Fortbestehens ihres Krankenversicherungsvertrages, nachdem der Beklagte den Vertrag wegen Anzeigepflichtverletzung angefochten und den Rücktritt erklärt hat.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz sowie wegen der vor dem LG gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das LG hat der Klage stattgegeben, weil die Klägerin ihre stationären und ambulanten Behandlungen nicht arglistig verschwiegen habe und weil sie nicht gem. § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen worden sei. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe.

Die Berufung des Beklagten wendet sich gegen die Verneinung der Arglist.

Er bestreitet, dass die Klägerin den Hintergrund der verschwiegenen stationären Behandlung nicht als Krankheit, sondern nur als Folge ihrer Beziehungsprobleme eingeordnet habe.

Die Klägerin habe sich im März 2011 aufgrund diverser Beschwerden in stationäre Behandlung begeben und so offenbar selber akuten Behandlungsbedarf gesehen, der über drei Wochen angedauert habe. Der Klägerin sei auch von einem Arzt mitgeteilt worden, dass danach noch ambulanter Behandlungsbedarf wegen einer psychischen Störung mit Krankheitswert bestand.

Wegen der stationären und ambulanten Behandlung sei widerlegt, dass die Klägerin die nicht angezeigten Behandlungen nur als Ausdruck des nicht erfüllten Kinderwunsches angesehen habe - dies zumal angesichts von damaliger Krankschreibung und Erstattung der Kosten durch Krankenversicherer und Beihilfe.

Der Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen; hilfsweise, den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG. zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Klägerin habe nicht arglistig gehandelt, weil sie die nicht angezeigten Behandlungen nur als Ausfluss ihrer Beziehungsprobleme eingeordnet habe. Kenntnis von einer depressiven Störung habe sie nie gehabt.

Der Senat hat die Klägerin im Termin am 13.01.2017 persönlich angehört

II. Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die auf Feststellung des Fortbestands des Krankenversicherungsvertrages gerichtete Klage ist abzuweisen, weil der Vertrag mit der Anfechtung des Beklagten rückwirkend unwirksam geworden ist.

Der Versicherer kann den Versicherungsvertrag gem. §§ 22 VVG, 123 Abs. 1 BGB anfechten, wenn er durch arglistige Täuschung zur Abgabe seiner Vertragserklärung bestimmt worden ist.

Eine arglistige Täuschung setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss mit jedenfalls bedingtem Vorsatz unrichtige Angaben gemacht und auch billigend in Kauf genommen hat, dass diese Angaben Einfluss auf die Entscheidung des Versicherers haben, und dass der Versicherer den Versicherungsantrag aufgrund dieser Täuschung angenommen hat (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG 29. Aufl. 2015, § 22, Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 10.11.2015 - I-20 U 165/15 -, Rn. 20, juris; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 14.11.2012 - 5 U 343/10, 5 U 343/10 - 55 -, Rn. 54, juris).

1. Die Klägerin hat bei Antragstellung nicht nur die ambulante Psychotherapie verschwiegen, sondern auch die Frage nach stationären Behandlungen in den letzten fünf Jahren verneint.

Dabei räumt die Klägerin ein, dass ihr die Frage nach einem stationären Aufenthalt im Antragsgespräch gestellt worden ist.

Unstreitig hatte sich die Klägerin im Zeitraum vom 13.03. bis zum 06.04.2011 stationär in der ... Klinik in ... stationär behandeln lassen.

Die Klägerin stellt insofern nicht in Abrede, dass ihr dieser stationäre Aufenthalt im Antragsgespräch am 06.03.2014 bewusst war. Sie hat dazu im Senatstermin ausgeführt, sie habe schon bei den ersten Gesundheitsfragen nach Behandlungen in den letzten drei Jahren für sich überlegt, dass im Jahr 2011 das Nuklearunglück in Fukushima passiert sei, zu dem sie die Berichterstattung im Krankenhaus verfolgt habe. Damit war der Klägerin im Antragsgespräch präsent, dass sie sich stationär hatte behandeln lassen.

Der stationäre Aufenthalt fiel auch in den von der Klägerin erfragten Zeitraum. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob...

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