Leitsatz (amtlich)

Wenn nicht feststellbar ist, dass ein Sachverständiger bei der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens den Verkehrswert aufgrund eines zumindest grob fahrlässigen Pflichtenverstoßes fehlerhaft angegeben hat, liegen die Voraussetzungen des § 839a BGB nicht vor. Dass einzelne besondere objektspezifischen Grundstücksmerkmale unvollständig ermittelt und/oder unrichtig bewertet sind, kann zur Begründung einer Haftung nicht ausreichen.

 

Normenkette

BGB § 839a; ImmoWertV § 8; ZVG § 74a V 1

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 O 272/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 11. März 2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens in Anspruch.

Der Kläger ersteigerte im September 2015 eine im 1. Obergeschoss des Hauses X-Straße 0, in I gelegene Eigentumswohnung für 125.000,00 EUR. In dem damals neu errichteten Objekt sind 4 Wohnungen gelegen. Die vom Kläger ersteigerte Wohnung war zuvor freihändig von der Bauherrin zu einem Kaufpreis von 150.000,00 EUR veräußert worden, der Kaufvertrag war jedoch rückabgewickelt worden.

Die Beklagte hatte im Zwangsversteigerungsverfahren für das Amtsgericht Herford, Az.: 007 K 076/13, am 02.05.2014 ein Verkehrswertgutachten erstellt. Sie gab den Verkehrswert der Wohnung bezogen auf den Stichtag 07.03.2014 mit 130.000,00 EUR an. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten der Beklagten vom 02.05.2014 (Anlage K 1) verwiesen. Am 17.09.2015 wurde der Bauherrin als Eigentümerin der Wohnungen im Erdgeschoss, 1. Obergeschoss und im Dachgeschoss die Nutzung der Wohnungen wegen fehlender Nachweise zur Standsicherheit des Gebäudes untersagt.

Im Jahr 2017 wurde die Wohnung im Erdgeschoss des Objekts zwangsversteigert. Das diesem Verfahren des Amtsgerichts Herford, Az.: 007 K 1/17, zugrundeliegende Verkehrswertgutachten wurde von der Sachverständigen L erstellt. Diese ermittelte für die Erdgeschoss-Wohnung zum Stichtag 06.04.2017 einen Verkehrswert von 74.000,00 EUR unter Berücksichtigung der bestehenden Nutzungsuntersagung sowie von Mängelbeseitigungs- und Fertigstellungskosten in Höhe von knapp 77.700,00 EUR, wovon bezogen auf die Größe der Wohnung im Erdgeschoss auf das Gemeinschaftseigentum 51.071,00 EUR und 26.600,00 EUR auf das Sondereigentum entfielen. Nach den Feststellungen der Gutachterin L war die Nutzung der Tiefgarage mit Fahrzeugen wegen einer fehlerhaften Bauausführung der Zufahrt nicht möglich, außerdem waren der Aufzug, die notwendigen Anlagen zum Brandschutz, die Außenfassade und die Außenanlagen nicht fertiggestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Verkehrswertgutachten der Frau L vom 14.06.2017 (Anlage K 2) Bezug genommen.

Der Kläger hat vor dem Landgericht behauptet, die von ihm ersteigerte Wohnung habe zum Bewertungsstichtag 07.03.2014 allenfalls einen Verkehrswert von 74.000,00 EUR gehabt. Dies könne dem Gutachten der Sachverständigen L entnommen werden. Die Wohnungen im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss seien nach Größe und Ausstattung vergleichbar. Das Objekt sei mit erheblichen bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Mängeln sowie mit verschiedenen, näher bezeichneten Baumängeln behaftet gewesen, für deren Beseitigung erhebliche Kosten angefallen seien. Die im Gutachten L im Einzelnen aufgeführten Mängel hätten bereits bei der Erstellung des Verkehrswertgutachtens der Beklagten im Jahr 2014 vorgelegen. Die Beklagte hätte die Mängel ohne weiteres bei der Besichtigung des Objekts sowie durch Einsichtnahme in die Bauakte erkennen können. Sie hätte die Mängel als für den Bieter im Zwangsversteigerungsverfahren wichtige Umstände in ihrem Gutachten erwähnen müssen. Bei Erstattung eines richtigen Gutachtens hätte er für die Ersteigerung der Wohnung im 1. Obergeschoss 51.000,00 EUR weniger aufwenden und geringere Grunderwerbssteuern zahlen müssen. Den sich hieraus ergebenden Gesamtbetrag von 54.315,00 EUR hat er nebst Deliktszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2015 und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von der Beklagten ersetzt verlangt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, die Haftungsvoraussetzungen des § 839a BGB seien nicht schlüssig vorgetragen. Das von ihr erstellte Gutachten sei schon deshalb nicht mit dem Gutachten L vergleichbar, weil sie eine neu erstellte Wohnung vor dem Erstbezug begutachtet habe und die Sachverständige L im Jahr 2017 eine seit zwei Jahren leerstehend...

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