Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Unterhaltsberechtigten zum Einsatz des Stamms des Vermögens zur Bedarfsdeckung
Leitsatz (redaktionell)
Die Verwertung des Vermögensstamms für Unterhaltszwecke ist jedenfalls dann nicht unbillig, wenn der Unterhaltsgläubigerin ein erhebliches Vermögen verbleibt, während der Unterhaltsverpflichtete bei Leistung nachehelichen Unterhalts der Grenze seiner Leistungsfähigkeit nahe käme.
Normenkette
BGB § 1577 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Arnsberg (Urteil vom 02.06.2005; Aktenzeichen 23 F 276/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 2.6.2005 verkündete Urteil des AG - FamG - Arnsberg wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gem. ZPO §§ 540 II, 313a)
Die Berufung hat keinen Erfolg, denn die Klage auf Zahlung von Nachscheidungsunterhalt ist zur Zeit nicht begründet.
Dabei kann der Senat dahingestellt bleiben lassen, ob die Bedarfsberechnung der Klägerin in der Berufungsbegründung zutreffend ist. Selbst wenn dies so wäre und auch dann, wenn der Senat unterstellt, dass die Klägerin schon derzeit trotz des vorhandenen Kapitals einen Bedarf auf Vorsorge wegen Alters hat, kann die Klägerin nicht als bedürftig angesehen werden. Denn sie ist gem. § 1577 III BGB gehalten, neben den Zinsen auch den Stamm ihres Vermögens zur Bedarfsdeckung einzusetzen.
Unter Abwägung aller erkennbaren Umstände kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass es der Klägerin zumutbar ist, einen Betrag von 40.000 EUR zur Bedarfsdeckung einzusetzen, und zwar unter den derzeit erkennbaren Verhältnissen in vollem Umfange.
Gemäß § 1577 III BGB braucht der Berechtigte den Stamm des Vermögens (nur) dann nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.
Hier kommt, da es sich um Geldvermögen handelt, nur in Betracht, dass die Vermögensverwertung unbillig sein könnte.
Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin einen Betrag von 40.000 EUR zur Deckung ihres Bedarfs einzusetzen hat.
In welchem Umfange Vermögen einzusetzen ist, ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der Beteiligten und aller erkennbaren Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (Nachweise bei Wendl/Staudigl, 6. Aufl., § 1 Rz. 410 ff.). Je größer das Vermögen ist, umso umfangreicher ist die Obliegenheit zur Verwertung. Nur kleinere Vermögen können ganz geschont werden, damit eine Reserve für Notfälle erhalten bleibt. Bei größeren Vermögen hat in der Regel ein Sockelbetrag als Schonvermögen zu verbleiben.
Bei dem Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt ist grundsätzlich jedes Vermögen, gleich welcher Herkunft, einzusetzen (ders., Rz. 411). Insbesondere der Umstand, dass das Geld aus einer Erbschaft stammt, steht der Berücksichtigung nicht entgegen (BGH v. 24.10.1979 - IV ZR 171/78, MDR 1980, 292 = FamRZ 1980, 43).
Die Klägerin hat aus dem Verkauf des ihr gehörenden Hauses einen Erlös von rund 207.000 EUR erzielt. Davon hat sie Verbindlichkeiten bei der Bank und bei dem Sozialamt abgelöst und andere Ausgaben bestritten, so dass ihr nach ihren Angaben in der Berufungsbegründung und in dem ergänzenden Schriftsatz vom 23.1.2006 Ende 2003/Anfang 2004 noch ein Kapitalbetrag von rund 132.500 EUR zur Verfügung stand. Davon hat sie an den Beklagten einen Vermögensausgleich i.H.v. 37.520 EUR geleistet, so dass 94.980 EUR restieren.
Der Senat hält es, davon gehen auch beide Parteien aus, für gerechtfertigt und im Hinblick auf eine sonst ggf. zu besorgende "Doppelberücksichtigung" bei dem Vermögensausgleich einerseits und bei der Unterhaltsberechnung andererseits auch für geboten, der Klägerin einen gleich hohen Freibetrag zuzubilligen (BGH v. 27.6.1984 - IVb ZR 20/83, FamRZ 1985, 354). Es verbleiben ihr daher 57.460 EUR.
Weiter hält es der Senat unter Abwägung aller erkennbaren Umständen für gerechtfertigt, der Klägerin für Notfälle und sonstige Unwägbarkeiten einen weiteren "Freibetrag" von rd. 17.460 EUR zuzubilligen, so dass ein zur Bedarfsdeckung einzusetzendes Vermögen von 40.000 EUR restiert. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Beklagte den erhaltenen Vermögensausgleich von 37.520 EUR für unterhaltsrechtlich nicht zu missbilligende Zwecke verbraucht hat, während insoweit zu Lasten der Klägerin bisher nur ein Betrag von knapp 16.000 EUR berücksichtigt worden ist (148.231 EUR Restbetrag nach Leistung an die Bank und an das Sozialamt ./. 132.500 EUR Kontostand am Jahresende 2003 = 15.731 EUR Differenz zur Bestreitung von sonstigen Ausgaben, die die Klägerin auf S. 3 der Berufungsbegründung dargelegt hat).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht entscheidungserheblich, dass ihr Vermögen teilweise von ihren Eltern stammt. Wie dargelegt, wäre auch bei einer Erbschaft das Vermögen grundsätzlich zur Bedarfsdeckung heranzuziehen. Für den Fall der vorzeitigen Vermögensübertragung kann nichts anderes gelten. Im ...