Leitsatz (amtlich)

1. Zum Pflichtenprogramm beim Befahren einer Straßengabelung.

2. Zur "Sicherung" des sog. Integritätszuschlags (Abrechnung auf 130 %-Basis) im Wege des Feststellungsantrags.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17-18; VVG § 115; StVO § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 7, § 7 Abs. 5, § 9 Abs. 1; BGB § 249; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 4 O 308/15)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weiter gehenden Rechtsmittels das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Paderborn (4 O 308/15) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 2.142,17 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.08.2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 334,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.09.2015 zu zahlen.

Es bleibt festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner den weiteren aus dem Verkehrsunfall vom 09.06.2015 gegen 09:10 Uhr in der Abfahrt Paderborn-Elsen der BAB 33 (Fahrtrichtung Bielefeld) entstehenden Schaden zu 20 % zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Dritte übergeht.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen der Kläger zu 53 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 47 %, die Kosten 2. Instanz tragen der Kläger zu 32 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 68 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung des jeweils anderen Teils abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO)

I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 09.06.2015 in der Abfahrt Paderborn-Elsen der Bundesautobahn 33, die sich im Bereich der Unfallstelle gabelt. Dort kam es zur streifenden Kollision zwischen dem ursprünglich vorausfahrenden klägerischen PKW mit dem von der Beklagten zu 1. gesteuerten Taxi, das zur Vorbeifahrt in den rechten Ast der Gabelung angesetzt hatte. Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhaltes im Übrigen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 80 - 89 d.A.) verwiesen.

Wegen der Unfallörtlichkeit und der Fahrzeugschäden wird Bezug genommen auf die polizeiliche Unfallskizze (Bl. 6 der beigezogenen Ermittlungsakte, Az. 411000-019327-15/3 Polizeipräsidium Bielefeld) sowie die polizeilichen Lichtbilder (Bl. 9 - 12 der vorgenannten BA).

Das LG hat nach Anhörung der Beklagten zu 1) und Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugin N (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2016, Bl. 75 - 78 d.A.) die Beklagten verurteilt, an den Kläger 856,87 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten zu zahlen. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, auch den weiteren aus dem streitigen Verkehrsunfall entstehenden Schaden zu 20 % zu ersetzen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Verkehrsunfall sei für beide Parteien nicht unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVO gewesen. Die Beklagten hätten mangels nicht feststehenden Setzens des linken Fahrtrichtungsanzeigers durch die Zeugin nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 1) berechtigt gewesen sei, das Klägerfahrzeug gemäß § 5 Abs. 7 S. 1 StVO rechts zu überholen.

Auf Seiten des Klägers sei im Rahmen der Unabwendbarkeit und bei Abwägung der Verursachungsbeiträge ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen. Nach der Aussage der Zeugin N stehe fest, dass die Zeugin mittig und gerade nicht rechts gefahren sei. Hierdurch habe sie gleichzeitig auch gegen § 9 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßen, da sie sich zum Abbiegen nicht äußerst rechts eingeordnet habe. Auch sei ihr ein Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht nach § 9 Abs. 1 S. 4 StVO vorzuwerfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 21.01.2016 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 11.02.2016 eingegangenen Berufung, die er mit am 04.03.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Er rügt eine fehlerhafte Anwendung der maßgeblichen Vorschriften sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung des LG. Es habe verkannt, dass die Beklagte zu 1) durch ihr Überholen auch gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen habe, da sie trotz unklarer Verkehrslage versucht habe zu überholen. Auch gehe das LG rechtsirrig von einem doppelten Verkehrsverstoß der Zeugin N aus. Entgegen der Ausführungen des LG sei den Beklagten gerade nicht der Beweis gelungen, dass die Zeugin mittig und damit unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot gefahren sei. Obwohl das LG diese Feststellung auf die Aussage der Zeugin N...

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